Freitag, 16. April 2010

Ueber den Altiplano nach La Paz

Es tut mir fuer alle Australier leid, aber Bolivien hat Australien vom Platz 2 meiner Lieblingslaender verdraengt. Es ist hier einfach gigantisch, nicht ganz einfach, aber fuer jede Anstrengung wird man belohnt.

Am Ausgang von Uyuni kam der erste Wegweiser, nachdem ich schon 240km in Bolivien unterwegs war. 


Aber erst, als ich auf der richtigen Strasse war und weit und breit keine Abzweigung.
Zum Glueck hat mein GPS bisher gut durchgehalten. 
Die ersten 20km bis Colchani war noch relativ viel Verkehr, hauptsaechlich Jeeps mit Touristen, die alle auf den Salzsee abgebogen sind. Danach war wieder nichts mehr los. Ganz alleine kaempfte ich mich durch den Sand und ueber das Wellblech. Die Landschaft wurde immer schoener und gruener. Es war richtig nett, nach so langer Zeit wieder ein paar Blumen am Wegesrand zu sehen.
Dunkle Wolken zogen auf, in der Ferne gab es ein Gewitter, es regnete leicht und ich war froh nicht gerade auf dem Salar zu sein.
Der Altiplano ist hier zwar Alti (hoch) aber nicht plano (eben). Ein paar Huegel waren zu erklimmen, zwar nicht hoch, aber bei dieser allgemeinen Hoehe kommt man trotzdem ganz schoen ins Schnaufen. 

Bruecken gibt es hier auch kaum

Wie in Australien bin ich hier einfach so mit Schuhen durch. Nur war das hier keine so gut Idee. Es war Salzwasser und es war viel kaelter, keine Chance fuer meine Schuhe und Socken wieder zu trocken. Irgendwann war es mir viel zu kalt zum Weiterfahren.

Auf der Strecke gibt es immer wieder Lehmhuetten, in denen die Quinoa-Bauern oder Alpaca-Zuechtern wohnten.


Einer liess mich windgeschuetzt in seinem Hof zelten.


Die aelteren Leute, auch der aeltere Sohn beobachteten mich nur aus dem Dunkel der Huette, die zwei kleinen Maedchen waren etwas mutiger und spickelten immer wieder ueber die Mauer.


Leider war es wieder einmal so kalt, dass ich mich gleich in das Zelt zurueck geziehen musste.

Am naechsten Morgen waren alle wieder sehr frueh auf den Beinen, also blieb mir auch nichts anderes uebrig als aufzustehen. Das erste Mal seit ich in Suedamerika war, dass das Zelt nass war, es ist hier schon eine andere Klimazone als in der Wueste.

Was hier auch sehr verwirrend ist, dass sie verschiedene Namen fuer Orte haben, die spanischen und wahrscheinlich Quechua, die indigene Sprache. Es gibt sowieso mehr Orte als auf meiner Karte eingezeichnet sind, darum weiss ich nie genau, wo ich eigentlich bin. Immer wieder nachfragen, ab und zu fand ich eine Uebereinstimmung mit der Auskunft und meiner Karte. Hauptsache es kommen ueberhaupt Orte, wo man etwas zum Essen und Trinken bekommt. 

Und ploetzlich tauchte vor mir ein See auf. Ich habe schon oefters gehoert und gelesen, dass es an den Salzseen auch Flamingos geben soll, habe aber bisher noch keine gesehen.


und dann sind sie auf einmal da, einfach so. 
Weiter ging es an Quinoafeldern. 

Je nach Fruchtstand haben sie eine andere Farbe. Der Anbau bis zur Ernte, alles wird noch von Hand bearbeitet.
Vor Sevaruy musste ich nochmals einen Fluss ueberqueren. Nur fuer die Eisenbahn gab es eine Bruecke. Zuerst wollte ich da hinueber, die Gleise schwebten aber praktisch in der Luft. Ich dachte, bevor ich von oben mit samt dem beladenen Fahrrad ins Wasser falle, gehe ich lieber freiwillig zu Fuss rein, diesmal aber ohne Schuhe.Nur begann ich den Fehler, an der Stelle hinueber zu wollen, wo am wenigstens Wasser war. Da war dann der Sand am weichesten. Ich hatte redlich Muehe mein Fahrrad dort durchzubekommen.
Die zwei Bolivianerinnen, die am Ufer sassen, schienen am Anfang ueberhaupt keine Notiz zu nehmen. Spaeter hatten sie vielleicht Mitleid mit mir und riefen ¨Camino¨ und zeigten weiter nach rechts, wo das Wasser tiefer war. Aber anscheinend war der Untergrund dort befestigt. Nachdem ich dorthin gelangt war, ging es etwas leichter. Ich war aber ganz schoen fertig als ich am anderen Ufer ankam. Immer noch nicht hatte ich mich an die Hoehe gewoehnt.

Die Strecke danach war auch alles andere als einfach. So liess ich mich im naechsten Dorf nieder. Eine junge Frau fragte ich, ob ich hier im Windschatten der Mauern zelten koennte. Wiedereinmal war das ueberhaupt kein Problem, bekam sogar noch einen Eimer Wasser.
Nur noch kochen, Zeltaufbauen und das Abendlicht geniessen. Zu mehr war ich nicht mehr faehig.
In der Nacht hat es immer wieder geregnet, es war aber nicht sonderlich kalt, aber die Berge um mich herum waren am Abend zuvor noch nicht so weiss.
Fuer mich ging es wieder auf katastrophalen Strassen weiter. 

Da wusste ich aber, irgendwann im Laufe des Tages, wird das ein Ende finden. Sehr erfreulich war, das Ende kam frueher als erwartet. Nach 570km auf Schotter-, Sand-, Salzpisten endlich wieder so etwas wie Teer. 

Eigentlich war die Strasse noch gar nicht fuer den Verkehr offen, ab und zu musste ich Sandhuegel umrunden, dafuer hatte ich die Strasse fuer mich alleine. Allen Strassenarbeiter dankte ich fuer dies loebliche Tat.

Hier auf dem Altiplano spielt sich alles zwischen 3600 und 3900 m ab. Wenn die Sonne durch kommt, ist es schoen warm, aber wehe sie verschwindet, was ja zumindest jeden Abend der Fall ist, wird es gleich furchtbar kalt. An diesem Tag verschwand sie sehr oft hinter den Wolken.
In der Markthalle von Huari, die Stadt, die wegen dem Bier sehr bekannt ist, konnte ich mich bei einer Quinoa Suppe erwaermen.

Die schneebedeckten Berge waren den ganzen Tag um mich herum, einfach eine wunderbare Landschaft.

Irgendwann sah ich sie aber nicht mehr. Dunkle Wolken zogen auf mit samt einem Gewitter und Gegenwind. Gerade als es heftig angefangen hat zu regnen, kam ich in Pazna an. Die Haeuser hier haben keine Vordaecher, das merkt man erst richtig, wenn man verzweifelt etwas sucht, wo man sich unterstellen kann. Der einzige Ort war der Eingang zum Polizeirevier. Dort standen oder sassen schon einige, eine Marktfrau bot mir sofort ihren Schemel an.
Als es aufgehoert hatte zu regnen, war es immer noch furchtbar kalt und der Gegenwind hat auch nicht nachgelassen. Warum sich am Spaetnachmittag noch abplagen, wenn es am anderen Morgen wieder wunderbar sein wird? Also fragte ich die Polizisten, ob es hier ein Zimmer, oder ein Platz zum Zelten gibt, obwohl ich zum Letzteren keine grosse Lust hatte. Zuerst hiess es mal wieder nein, aber nach einer weiteren Unterredung wurde ich doch von einem Polizisten ein paar Haeuser weiter gefuehrt. Von aussen war kein Zeichen von Hotel, Pensione, Residenzia oder wie die Unterkuenfte hier genannt werden. Ein riessiges Coca Cola Schild haette vielleicht auf das Restaurant hindeuten koennen.
Hinten im Hof waren kleine Zimmer voll von Betten., die anscheinend ansonsten nur fuer Arbeiter vergeben werden. Klo war auf dem Hof, Dusche gab es keine, hatte heute sowieso schon genug Wasser ueber mir. Das ganze hat 15 Bolivianos gekostet, ungefaehr 1,50 Euro. Ich hatte es warm und trocken, was will man mehr?

Am naechsten morgen war dann tatsaechlich alles wieder prima Sonnenschein.

Es ist auch wieder sehr nett, ein paar Blumen am Strassenrand zu sehen.

Mit Rueckenwind waren die Huegel auf den jetzt gut geteerten Strassen gut zu verkraften. Es war richtig gut festzustellen, dass auch die hoeheren Gaenge noch funktionieren. Die wurden in den letzten Tagen schwer vernachlaessigt.

Da ich seit Tagen Probleme mit den Lippen habe, fahre ich jetzt nur noch schwer vermummt.


 
Der Wind und die Sonne sind sehr blasentreibend, da hilft kein Fettstift mehr.  Aeusserst unangenehm, wenn die Lippen in der Nacht zusammen kleppten und dann alles aufreisst, wenn man gaehnen musste. Sehr laesstig, dann doch lieber vermummt weiter fahren. 

Relativ schnell war ich in meiner ersten grossen, bolivianischen Stadt, Oruro. Ganz schoen verwirrend auf einmal mit so vielen Strassen konfrontiert zu werden, ohne Strassenschilder oder Wegweiser. Eigentlich wollte ich nur geschwind meine E-Mails abrufen und dann nichts wie weg, aber dann hatte ich eine Mail, dass ich bei meiner Bank anrufen sollte. Also musste ich was zum Telefonieren finden, Skype hatten die nicht auf ihren Computer, WiFi auch nicht. Bis ich dann soweit war, bekam ich nur noch den Automatischen Anrufbeantworter:¨Sie rufen leider ausserhalb unserer Geschaeftszeiten an...¨. Da ich wusste, es ist sehr wichtig und wenn ich weiter fahre, kann ich erst wieder in La Paz anrufen, habe ich doch noch beschlossen in dieser Stadt ein Zimmer zu suchen und es am anderen Tag nochmals zu versuchen. 

Am fruehen morgen, sass ich dann schon auf der Strasse vor einem Hamburger Restaurant (nicht MacDo), wo es WiFi gab. Der Laden war zwar noch geschlossen, aber der Server lief, sehr praktisch. So konnte ich mit meinem Laptop mit meiner Bank telefonieren und erfuhr, dass sie noch nicht einmal meine neue Kreditkarte in Auftrag gegeben haben, geschweige denn schon nach La Paz weggeschickt. Es war Gruendonnerstag und man weiss ja, wieviel an diesen Tagen noch gearbeitet wird.
Sehr schnell wurde mir Bewusst, es wird ein langer Aufenthalt in La Paz. 

Nachdem ich mich an jeder Kreuzung und jedem Kreisverkehr nach der Strasse nach La Paz durchgefragt hatte, war ich richtig froh, Oruro entronnen zu sein. Wieder einmal kam auf der Ausfallstrasse, hunderte von Metern nach der letzten Abzweigung ein Schild,noch 230km nach La Paz.Nicht gerade hilfreich fuer die Weg-Entscheidungsfindung, aber eine nette Bestaedigung, dass man auf dem richtigen Weg ist. Sehr beruhigend.


Die wunderschoene Landschaft vorbei an Bergen und Seen, stimmte mich wieder friedlicher, fast der ganze Aerger mit der Bank war bald verflogen und ich beschloss einfach das Beste aus der Zeit in La Paz zu machen.


Nachdem das Licht am Abend immer schoener wurde, wollte ich unbedingt die letzte Nacht vor La Paz in dieser herrlichen Landschaft in meinem Zelt verbringen. Es wurde allerdings wieder sehr kalt und das erste mal hatte ich am naechsten Morgen Eis auf meinem Zelt. Nicht sehr motivierend zum Aufstehen. Da ich sowieso noch nicht wusste, ob ich an einem Tag nach La Paz durchfahren sollte, blieb ich einfach liegen, bis es um mich herum zu geschaeftig wurde.
Da die Berge ein bisschen weiter weg waren, kam die Sonne schnell durch und es wurde sehr schnell warm. Bis ich gefruehstueckt hatte, war mein Zelt schon fast trocken.

In Patacamaya, einer groesseren Stadt, sah ich wieder eine riesige Schlange von Menschen mit ihren grossen, orange-gelben Gasflaschen, wie schon in Oruro. Die gluecklicheren hatten eine Handkarre, die weniger gluecklichen mussten sie tragen. Eine alte Frau hatte die Flaschen in ihrem Tuch eingewickelt auf dem Ruecken. So wird eigentlich alles transportiert, natuerlich auf Kleinkinder.

Immer noch war die Erledigung menschlicher Beduerfnisse ein mittleres Problem. Zwar sehe ich ab und zu Schilder, die auf oeffentliche Toiletten hinwiessen, aber nicht gerade einladend aussahen. Da es immer noch nicht genuegend hohe Buesche gab, eignen sich dafuer am Besten alte, zerfallene Mauern. Findet man endlich einen solchen Ort, richt und sieht man schon von weitem, dass schon hunderte zuvor auf diese Idee gekommen sind. Vielleicht wuerde man fuer die Entwicklung Boliviens etwas beitragen, wenn man in den gewissen Orten Klohaeuschen aufstellen wuerde, am besten gleich mit einem Container fuer Windeln. Unglaublich wieviele gebrauchte Plastikwindeln am Wegesrand liegen. Das gilt nicht nur fuer Bolivien, sondern fuer fast alle Laender, hauptsaechlich in abgelegeneren Gebieten. Verstaendlich dass man nicht mit so einem olfaktorischen Ballast lange Zeit herum fahren will. Wenn es aber so weiter geht, werden diese Kinder spaeter nur noch in Windeln waden, das sollte auch den Eltern klar gemacht werden. Noch kann man ueber den Abfall hinwegsehen und die wunderbare Landschaft geniessen.

Trotz den Huegeln war ich schnell in El Alto, dem ¨Vorort¨ von La Paz, wo auch der Flughafen ist, der hoechst gelegenste Zivilflughafen der Welt auf 4100m.
Auch ein paar Fahrradreparaturwerkstaetten findet man der Strasse entlang.



La Paz liegt einiges tiefer.Manchmal konnte man zwischen den Haeuserzeilen einen Blick nach unten werfen.
Zuerst nach ¨Aquacalle¨, sieht aus wie ein luxurioeuses Naherholungsgebiet mit Seen und Booten. Allerdings fuehr kein Weg direkt von La Paz dorthin, zuviele Bergkaemme kommen dazwischen.
Ein Stueck weiter hatte man einen Blick in die Teife, auf die Stadt La Paz. Ich habe ja schon einiges gesehen, aber dies uebertraf alles. Einfach gegigantisch wie diese Stadt zwischen und auf den Bergen und Felsen gebaut ist.


Eine steile, beinahe unentlich scheinende Treppe fuehrt nach unten. Auch hier waren Frauen schwer bepackt unterwegs. Fuer mich gab es die Autostrada.

Nachdem ich noch von einer Aussichtsplattform die Gegend bewundert hatte, mit einem wunderbaren Blick auf den Huayna Potosi, raste ich 500m bis auf 3600m hinunter nach La Paz, fast in eine Karfreitagsprozession hinein.

Fuer Autos war der weitere verlauf der Strasse gesperrt, nur ich durfte hindurch. So wurde mir die Ankunft in La Paz um einiges erleichtert und schnell fand ich das Chuquiako Bike Cafe,wo ich schon von Luisa und Cristian erwartet wurde.


Hier wohne ich jetzt und helfe im Café mit, so wird es mir nie langweilig, treffe viele Fahrradfahrer,auch bolivianische, und auch andere Touristen, auch viele Deutsche darunter. Ungefaehr 80% der Reisende sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.


Das Café liegt mitten im Zentrum, eingebettet in all die bunten Tuecher und Pullover. Hier kann ich es gut aushalten, bis meine Kreditkarte endlich da ist.