Donnerstag, 15. Mai 2008

Plinis und Pilmenis

Der Start in Ekateringburg war noch richtig sibirisch, obwohl es noch gar nicht richtig zu Sibirien gehoert, sondern eher zum Ural. Es war kalt und gab Schneeregen. Nicht sehr erfreulich. Aber der Wind hat gestimmt. Zum Glueck waren es auch nur 3 Tagesetappen bis nach Tiomen.


Die letzte Etappe war ein richtig schoener Radlertag. Ich kam aeusserst gut voran. Ansonsten haette ich vielleicht die Kriese bekommen. Unendlich lange, ebene und gerade Strecken, durch endlose grosse Waelder und Felder. Zum Glueck ist es aber nicht endlos. Wenn man zuerst meint, die Baeume am Horizont sind vielleicht 3 km entfernt, sind es in Wirklichkeit 10km. Bei Gegenwind waere so etwas der Horror, bei solch guten Bedingungen und Strassen ist es direkt ein Verguegen. Schon um 15 Uhr war ich dann nach 124 km in Tiomen, noch genug Zeit fuer ein bisschen Sightseeing. Leider ist mir ein Motorradfahrer von "Totenkopf Tiomen" nicht mehr von der Seite gewichen, ich konnte machen was ich wollte: einen orthodoxen Gottesdienst beiwohnen, die Einbahnstrasse in die verkehrte Richtung fahren, irgendwann habe ich es dann doch geschafft.

Die Jugend uebte auch wahrscheinlich fuer den grossen Auftritt am 8. Mai



Da wurde es dann richtig schoen warm und ich konnte mal wieder eine Nacht in einer richtigen StudentenWG verbringen, fast wie vor 20Jahren. Richtig jung fuehlt man sich auf einmal wieder. Leider sprach kaum jemand deutsch oder englisch, aber Fahrrad fuhr jeder, der Gang und Balkon waren voll davon. Deswegen hat schon irgendwie eine Verstaendigung stattgefunden.

Im Laufe der Nacht haben sich immer mehr Leute eingefunden, bis 9 Leute irgendwie ein Plaetzchen in der 3 Zimmerwohnung fanden. Zum Glueck waren auch ein paar eifrige Medizinstudentinnen dabei, die auch morgens frueh aufgestanden sind.

Die Trasse nach Omsk war relativ leicht zu finden. Dann hiess es mal wieder fuer die naechsten 624 km nur priama, priama priame, immer gerade aus.

Da es waermer wurde, dachte ich ich koennte es mal wieder mit Zelten probieren, trotz Wassergraeben an der Seite.



In einem Dorf hat man mir auf meine Frage, wo ich hier mein Zelt aufstellen kann einen Platz in einer Garage fuer Traktoren angeboten. In dem Raum standen Tisch, Liege und ein Schrank. Unter dem Schrank war eine kleine Maus, die sehr lebhaft mit Plastiktellern gespielt hat. Eigentlich nicht sehr einladend, aber da ich Probleme mit dem Hals hatte, habe ich angenommen. Zuerst meinte der alte Mann, er geht nach Hause zum Schlafen.

Er war auch kurz daheim und hat mir einen ganzen Topf voll mit Pilmenis und Brot gebracht und Kaffee. Das mit dem "Daheim Schlafen", hat dann nicht so geklappt. Er hat alle seine Jacken geholt und versucht im Auto zu schlafen. Leider habe ich alles viel zu spaet mitbekommen, als es sich in dem Zimmer halbverfroren aufwaermen wollte. Wegen all dem hin und her und der Maus, habe ich auch nicht geschlafen. Um 6 Uhr bin ich aufgestanden und um 7Uhr sass ich wieder auf dem Fahrrad, wenigstens 15 km bis zum naechsten Cafe.

Trotz der Uebermuedung, aber wegen den guten Bedingungen bin ich am naechsten Tag doch recht weit gekommen, goennte mir dann mal wieder ein Hotel. Die Stadt Ischin war auch erstaunlich schoen und interessant, liegt genau zwischen Tiomen und Omsk. Sieht aus wie eine Museumsstadt. Es gibt noch recht viele alte Holzhaeuser, die noch recht gut erhalten sind.
Meinem Hals ging es nach dem Hotel auch nicht viel besser. Ich konnte kaum mehr reden, auch gut, dann merkt schon niemand, dass ich eigentlich kein Russisch kann.
Trotzdem, ab jetzt wurde mehr gezeltet. Und zwar ausserhalb Ortschaften, dort wo man niemand in solch Bedraengnis bringen kann.
Am naechsten Tag ging genau so weiter, wie der letzte aufgehoert hat - auf die Strasse und priama, priama, immer geradeaus. Da ist es direkt eine Abwechslung, wenn ein Vogel hochfliegt, ganz spannend wirds, wenn auf einmal ein Reiter auftaucht.


Vor Omsk hatte ich mal wieder recht Glueck, hatte gerade fast mein Pensum erfuellt, als ein VW Bus mit 3 Fischern hielt und mich fragte, ob sie mich mit nach Omsk nehmen koennen. Da sagte ich natuerlich nicht nein, einen ganzen Tag gespart. Und so interessant ist die Gegend auch nicht, dass man jeden kilometer gefahren sein muss.
Jetzt weiss ich auch, warum die Strasse gesaeumt ist mit halbvollen (oder halbleeren, ich mache da keinen Unterschied) Flaschen. Ich habe mir immer ueberlegt, warum so viele Leute Flaschen verlieren. Weit gefehlt. Hier wird das Bier entweder in 1 1/2 Liter Flaschen gekauft, oder abgefuellte, und wenn es schal schmeckt fliegt es einfach aus dem Fenster.

In Omsk hatte ich dann noch ein bisschen rumzufahren, bis ich endlich eine gute Bleibe fand. Aber es war herrlich. 8. Mai, Feiertag fuer die Russen, Sieg des 2. Weltkrieges. Ich habe sogar noch eine Autoparade mitbekommen. An der Flusspromenade tummelten sich Herscharen von Leuten.


Am naechsten Tag bin ich dann nochmals durchgefahren und fand den gleichen Arbeiter wie in Bratislava wieder. Er hat sich ganz schoen schnell da durchgebuddelt um mich hier in Omsk wieder anzulaechlen.


Auch hier wird Fahradfahren oder, Veloziped ganz gross geschrieben


Auch am 9. Mai gingen die Feierlichkeiten weiter. Wahrscheinlich war deswegen alles abgesperrt. Ausser mir war niemand auf der Uliza Lenina unterwegs. Ueberall wurden Faehnchen verkauft, Soldaten und alten Herren mit vielen Orden an der Brust waren auf der Strasse. An einem Denkmal toente aus dem Lautsprecher ein russisches Lied, wahrscheinlich so etwas wie "der Tod des unbekannten Soldaten", so hat es wenigstens geklungen. War kein gutes Gefuehl dort durchzufahren.

Hinter Omsk gehts entlang und ueber die Transibirische Eisenbahn.



Ehrlich gesagt, ich bin froh, dass ich mit dem Fahrrad fahren darf. Tagelang in so einem Zug sitzen, waere nichts fuer mich.

Da ansonsten wirklich nicht viel passiert, immer nur gerade aus fahren, gehen einem so ziemlich viele Dinge im Kopf herum. Nicht mit alles will ich naeher erlaeutern.
Aber was auch ganz interessant sind, sind die Russischen Schilder. Auf denen ist immer das abgebildet, was es eigentlich nicht gibt:




P: Bedeuted fuer die Lastwagenfahrer einen breiteren Seitenstreifen, wo sie ihr Fahrzeug abstellen koennen.
Tankstelle: Machmal sehr gut mit einem Laden ausgestatten, wo man Wasser oder Landkarten bekommen kann. Auch in der Notdurft sehr hilfreich.
Zelt: Hat nichts mit Zelt oder Campingplatz zu tun. Es ist fuer die Fernfahrer, wo sie in ihrem Auto uebernachten koennen.
Tisch mit Tanne: Meisten Muellhalde, ohne Tanne oder Tisch. Eine Hebebuehne, wo man Autos reparieren kann ist meistens dabei. Ganz praktisch, dann kann man Altoel und Altreifen gleich stehen lassen.
Messer und Gabel: Bedeutet fuer mich Borsch und Tee. Dafuer gibt es keine Messer und Gabel, nur Loeffel. Plinis ist man mit der Hand. Hoechsten fuer Pilmeni bekommt man eine Gabel. Ein Messer habe ich in den Lokalitaeten noch nie gesehen, wahrscheinlich zu gefaehrlich.
Schieblehre, oder was das ist: so was brauche ich fuer mein Fahrrad nicht.
DPS: Verkehrspolizei. Hat mich noch nie wegen zu langsamen fahren angehalten.
STOP: Fast auf der ganzen Welt sind Stopschilder rot und gross. Hier scheinen sie nicht so wichtig zu sein. Ampeln, wie man sieht, sind auch rot- gelb -gruen.

So sieht ein Camping Platz in Russland aus:


Ansonsten, passierte bis Novosibirsk nicht viel mehr. Morgens raus auf die Strasse, gerade aus fahren und am Abend wieder in die Waelder abtauchen.
Dazwischen kam vielleicht mal ein Dorf, das so aussah:

Das besonder Erlebnis des "Nichts-Erlebens". Eigentlich das, was Millionen von Menschen tagtaeglich passiert, nur hier hat man keine Ablenkung dur Fernseher, Internet oder Handy. Hier erlebt man das "Nichts erleben" voll bewusst, fasst wie Meditation. Wie die tibetanische Moenche ihre Gebetstrommeln drehen, so drehe ich meine Pedale.
Ab und zu wird die Meditation durch furchtbar schlechte Strassen unterbrochen. Der Belag ist dann wie eine Patchwork-Decke. Immer wieder wird geflickt, was der Frost nachher wieder aufreisst.

Das Wetter war wunderschoen das Birkengruen kam heraus und die Sumpfdotterblumen bluehten

und sonst lief es ganz gut, nur auf Dauer kann man so etwas nicht machen, mir fehlte der Kontakt zu Menschen.

Darum war ich ganz gluecklich als ich nach fast 3 Monaten und ueber 8000km in Novosibirsk ankam.


Hier treffen Welten aufeinander


Zwischen den Hochhaeusern hat es auch hier noch die alten Holzhaeusern, in denen sich aber Museen befinden.


Es war der letzte Schultag fuer Schulabgaenger, die ganze Stadt war voll von Maedchen mit schwarzen, kurzen Roecken und weissen Schuerzen und Schleifen, und Jungs mit Anzuegen, weissem Hemd und Schaerpe.




Vor meiner Reise bin ich immer wieder gefragt worden, warum ich nicht fuer einen bestimmten Zweck Geld sammle, wie es einige Radreisende tun. Das wollte ich aus folgenden Gruenden nicht:
  • Ich mache es, weil ich es will, ichwollte keinen sozialen Zweck als Vorwand finden.
  • Es gibt keine Organsation, wo ich 100% dahinter stehe, fuer die ich so etwas machen will.
Ich habe aber auch angekuendigt, dass ich, wenn ich etwas unterwegs kennenlerne, dies hier kund tue, dann kann man immer noch spenden.
In Novosibirsk hatte ich das Vergnuegen, 2 Naechte im Caritas Haus zu wohnen, eingeladen von Susanne, die fuer die Oeffentlichkeitsarbeit zustaendig ist, und die Einrichtung kennenzulernen. Diese Projekte und die Arbeit dort hat mich voll ueberzeugt.
Also, wenn Dir/Ihnen der Blog gefaellt und sie etwas fuer das Vergnuegen diesen Blog lesen zu duerfen zahlen wollen, dann ueberweisen Du/Sie doch bitte einen Betrag an
Armen-Schwestern v.hl.Franziskus
Pax-Bank eG Aachen
Spendenkonto 1008 248 091
BLZ 370 601 93

Stichwort "Novosibirsk"
Hier koennen sie mehr ueber die vielseite Arbeit erfahren:
http://www.caritas-international.de/33676.html
Besser als in Schwester Elisabeths Haenden kann Ihr Geld gar nich angelegt sein.


An den aufgeschlossenen, interessierten Kindern konnte ich ein Erfolgserlebnis ihrer Arbeit sehen. Leider musste ich auch hier wegen dem "Visa Druck" weiter.