Donnerstag, 3. April 2008

Im Land der Kossacken

Auf der Fahrt nach Kerch, wo die Faehre nach Russland geht, hatte ich das Gefuehl, etwas will mich nicht gehen lassen. So ein starker Gegenwind und immer nur Regen. Sehr unangenehm, zum Glueck hatte ich immer noch genug Zeit.
Die Einreise selbst war dann kein Problem. Noch auf ukrainischer Seite der Ausreisestempel und auf der russischen Seite, nachdem ich den Roentgenblicken der Zollbeamtin stand hielt, der Einreisestempel. Das wars, kein Fingerabdruck, keine Gepaeckdurchsuchung, einfach durch.

Wenn man hier Russland betritt steht man zuerst mal im Nichts. Das wird sich auch die naechsten 9000 km nicht gross aendern. Die Bevoelkerungsdichte von Russland ist 8.3 Personen/qkm, in Deutschland sind wir bei 230.
Auf einem langen Deich geht es zuerst mal bis aufs "Festland". Davor ist natuerlich eine Polizeikontrolle. Auch dieser Beamte war sehr freundlich und hat mir ein "Welcome in Russia" gewuenscht.

Es ist schon ein wunderbares Gefuehl jetzt diese endlose Weite Russlands vor sich zu haben, wo man grenzenlos drauflos radeln kann.

Das erste Dorf mit Geldautomat lies noch ein paar Kilometer auf sich warten. Dann wurde aber gleich meine Ration Kekse gekauft. Ich war hoch erfreut zu sehen, wie geduldig die Verkaeuferin mit mir war, als ich nicht mehr sofort wusste, was 200 auf Russisch heisst. Vielleicht sollte ich es sowieso lieber auf 100 gramm beschraenken.

Die Gegend hier unterscheidet sich nicht sehr von der Ukraine (ausser dem Sueden der Krim). Hier ist es sehr flach, viele Fluesse, Seen und Schilf, die Haeuser in den Doerfern sind in Taubenblau oder Malve strichen und haben blaue Gartenzaeune. Frauen, die wahrscheinlich die einzige Kuh am Wegrand trotz Regen spazieren fuehren. Im "Produkti" bekommt man was zu essen und die Tankstellen sind von der gleichen Marke.

Der einzige Unterschied liegt in den Gesichtern der Menschen. Sie laecheln! Eine richtige Wohltat nach den skeptischen Blicken der Ukrainer. Es sei aber hier bemerkt, ich spreche hier von der Grundstimmung, die ich erfahren habe. Natuerlich gibt es auch lachende Ukrainer.

Im Sommer ist diese Gegend um Temriok sicher sehr schoen, zumindest hat es lange Sandstraende. Aber auch hier ist es jetzt so ziemlich ausgestorben.

Kurz vor Temriok konnte ich zum Glueck in einer Tankstelle brauchbares Kartenmaterial erstehen. Auch wenn ich nur der Strasse nach fahren muss, ich fuehle mich einfach besser, wenn ich nachschauen kann, wo ich bin und wieviele Kilometer ich noch fahren muss.

Da der Wind mir recht uebel mitgespielt hat, habe ich noch keine genau Ankunfszeit mit Olga, eine Freundin von Luda aus Feodosija, in Krasnodar abgemacht. Aber nun hatte der Wind ein Einsehen mit mir und hat sich gedroht. Am Mittag wusste, ich schaffe die 140 km bis zum Abend.

Olga kam mir mit dem Auto entgegen und mir blieben die letzten 20km im Regen und Seitenwind (die Richtung der Strasse hat sich leicht geaendert) erspart. Das erste Mal seit meiner Abreise, dass ich wieder in einem Auto sass. Die Geschwindigkeit bin ich nicht mehr gewohnt. 120 km/h schaffe ich mit dem Fahrrad nicht.

So habe ich auch gleich einiges ueber diese Gegend erfahren. Hier leben hauptsaechlich Kossacken, und zwar Kuban Kossachen, nach der Gegend und Fluss Kuban. Diese sind vor ca 200 Jahren aus der Ukraine hier in diese Gegend ausgewandert. Also kein Wunder mehr, dass alles hier so aehnlich ist. Nur sind sie hier anscheinend gluecklicher.

Die Gegend um Krasnodar ist auch landwirtschaftlich sehr bedeutend. Hier ist die noerdlichste Stelle, wo Reis angebaut wird.


Soci, wo 2014 die Winterolympiade stattfindet wird befindet sich auch hier. Dies ist auch der Ort an dem Tee angebaut wird. Er soll anscheinend nicht gut sein, aber hauptsaechlich die Russen sind unabhaengig.

Olga, die mich hier mit ihrer Tochter bewirtet, wohnt am Stadtrand in einem sehr schoenen Haus. Man merkt, dass sie fuer eine Schweizer Chemiefirma gearbeitet hat. Irgendwie habe ich langsam das Gefuehl, ich werde immer weiter gereicht und jeder freut sich, wenn sie mich bewirten koennen. Fuer Nadjas und Olgas Hilfe war ich sehr dankbar. War zwar die Einreise nach Russland problemlos, muss man sich doch innerhalb von 3 Werktagen registrieren lassen. Wenn man in einem grossen, teueren Hotel uebernachtet, sollte das kein Problem sein. In Temriok gab es so etwas nicht, die Polizei hat sich dafuer nicht zustaendig gefuehlt und das Passport office war geschlossen. Also dachte ich, ich lasse mich in Krasnodar registrieren. Olga und Nadja haben recht viel herumtelefoniert und mit Nadja habe ich den ganzen Vormittag in der Stadt verbracht um herauszufinden, wer das macht. Auch hier was das Passport office geschlossen, das Hotel macht es nur fuer ihre Gaeste, die Travel agency nur fuer Toursiten Visa, das Immigration office fuehlte sich dafuer nicht zustaendig. Schlussendlich habe ich halt ein Zimmer im Hotel gebucht nur zum Schein um einen Schein zu bekommen. Zum Glueck muss man durch diese Prozedur nur noch einmal am Anfang und dann nur noch wenn man laenger als 3 Tage an einem Ort bleibt. Ansonsten wuerde sehr wenig Zeit zum Fahrradfahren bleiben.

Olga hat einen Kollegen, Nikolay, der frueher russischer Radrennfahrer war. Der lies es sich natuerlich nicht nehmen, nach meinem Fahrrad zu schauen. Nun habe ich frisch gefettete Pedale. Ich waere nie auf die Idee gekommen, dass mit denen was nicht in Ordnung sein koennte. Aber jetzt bin ich sicher, dass sie die naechsten 50 000 km halten.

Am Abend gings dann zum Sightseeing in die Stadt. Katharina die Grosse hat den Kossacken erlaubt sich hier niederzulassen, weil diese ihr geholfen haben, die Tuerken in die Flucht zu schlagen und haben ihr damit wieder den Zugang zum Schwarzen Meer gesichert.
Aus Dank gibt es eine grosse Statue von ihr
und unterwuerfig unter ihr befinden sich russische Feldherren, z.B. ihr Liebhaber Potemkin und furchterregene Kuban Kossacken.
Richtig nett, eine deutsche Frau in dieser Possition zu sehen.

Am naechsten morgen hat mich Nikolay abgeholt, allerdings mit dem Auto. Es war ihm eine Freude mich bis vor die Tore der Stadt zu fahren. Mir was das auch nicht unrecht. Bei dem Verkehr und im Nebel ist es wahrlich keine Freude Fahrrad zu fahren.


So bin ich auch noch recht weit an dem Tag gekommen. Wahrscheinlich zu weit. Ich war recht kaputt und hatte Hunger, als ich in Pavlovskaja ankam. Da es mal wieder recht kalt und regnerisch war, hatte ich doch mal wieder nach einem Hotel gefragt. Die drei aelteren Damen hatten einen rechten Spass mit mir. Wenn ich nur besser russisch koennte!
Die Dame vom Hotel hatte dann einen Preis fuer 2 Personen fuer mich verlangt. Das war mir dann doch zu viel und wahrscheinlich weil ich sowieso recht fertig war, bin ich recht ausfaellig geworden. Sie hat dann ihren Chef angerufen, worauf ich nur die Haelfte bezahlen musste. Trotzdem, ich hatte ein recht ungutes Gefuehl.
Am naechsten morgen, ich sass gerade beim Kaffee, kam ein Hollaender mit Kamera, der anscheinend in dieser Stadt arbeitet. Die Damen vom Hotel haben ihn beauftragt ein paar Fotos von mir zu machen. Eine Deutsche mit dem Fahrrad haben sie nicht so oft. Mir kam das natuerlich sehr gelegen, ich habe dem Herrn zuerst mal gebeten, er moege der Frau sagen, ich moechte mich fuer mein Verhalten am vergangenen Abend entschuldigen. Darauf hat sie mich nur angestrahlt und mich umarmt. Ich fuehlte mich dann rehabilitiert. Die Fotosession habe ich dann geduldig ueber mich ergehen lassen.

Natuerlich hat es wieder geregnet. Der letzte Tag war mir eine Lehre und ich beschloss oefters eine Pause zu machen. Wenn es aber so gar nichts gibt ausser Felder, Strasse und Regen hat man dazu keine grosse Lust. Trotzdem, ich nahm es lockerer, ueberhaupt als ich feststellte, an diesem Tag musste ich noch laenger fahren. Die Schwester von Luda aus Feodosia erwartete mich in Rostov. Es war dann auch gar nicht mehr so schlimm, nur war es dann schon recht spaet.
Sie wohnt mit ihren beiden Kindern in einer nicht kleinen Wohnung in einem Wohnblock. Nur hat sie 3 von 5 Zimmern untervermietet. In einem wohnt eine ganze Familie. Kueche, Klo und Dusche werden zusammen benutzt. Trotz dieser Enge hat sie mich dringenst gebeten unbedingt 2 Naechte zu bleiben. Wie gesagt, es war schon spaet, natuerlich hat sie noch gekocht dann war es noch viel spaeter bis ich endlich ins Bett kam. Deswegen habe ich ihr gerne den Wunsch erfuellt.

So kam ich heute in den Genuss mit 2 Jungs, 14 und 16 Jahren, einen Stadtbummel durch Rostov zu machen. Eine recht schoene Stadt. Viele alte, neu hergerichtete Haeuser. und natuerlich die Promenade am Don. Dann ist da natuerlich noch der Gorki Park, ein Vergnuegungspark. Die Karussels sind natuerlich nicht auf unserem Stand, meinem Magen hat es allerdings gereicht. Von Arthur habe ich eine russische Flagge fuer mein Fahrrad bekommen. Da habe ich doch gleich meine Deutsche dazugehaengt, die seither nur in meiner Tasche war.