Mittwoch, 16. April 2008

Entlang der Wolga

Vom Don gings an die Wolga. Dank Lenin gibts da auch einen Kanal, d.h. man kann direkt von der Wolga ins Schwarze Meer fahren. Ich blieb aber auf der Strasse.

Das Wetter ist jetzt endlich so, dass man auch gut zelten kann. Nur, die Russen sind da meistens anderer Meinung und meine mich einladen zu muessen. So geschehen in einer Kleinstadt oestlich von Rostov. Das war einer der Tage, wo man erfaehrt, weswegen es sich lohnt zu reisen. Erstens kommt es imm anders als zweitens dass man denkt.

Wegen viel Gegenwind kam ich recht fertig in diese Kleinstadt. Der erste Anblick war nicht gerade einladend. Alte, zerfallene Haeuser, die Armut schrie aus jeder Ecke. In einem "Produkti" erstand ich ein paar Lebensmittel, die ich teilweise gleich vor der Tuer verzehrte. Dies sah die Ladenbesitzerin und hat mich wieder hereingebeten und zum Tee eingelade. So konnte ich meiner Frage, wo ich ein Zelt aufstellen kann, stellen. Lena meinte nur es waere zu kalt, ich sollte doch bei ihr uebernachten. Der Nachteil war nur, sie musste bis um 22 Uhr arbeiten. Was dann so alles im Hintergrund abging, bekam ich nicht alles mit. In der Zwischenzeit kam noch die Englisch / Deutschlehrerin der Stadt, die unbedingt wollte, dass ich am naechsten Tag in die Schule komme. Deutsche sind hier wirklich Mangelware. Da ich solche Schul-Aktionen als Moeglichkeit mich fuer die Gastfreundschaft zu bedanken, habe ich fuer eine Stunde am Morgen zugesagt, so dass ich danach noch weiter fahren kann.

Dann stand auf einmal die 13jaehrige Tochter der anderen Verkaeuferin vor mir. Ihr Englisch war sehr gut. Sie wollte mich gleich mit nach Hause nehmen. Ich habe gemeint, dass muesse sie mit der Ladenbesitzerin ausmachen, ich waere schon bei ihr eingeladen. Diese hat eingesehen, es ist besser ich gehe gleich mit der Tochter mit. Voll bepackt mit lauter Esssachen zogen wir von dannen. Daheim wartete schon Vater und Schwester Olga von Nastja. Sie wohnen in einem netten Haeuschen mit Garten. Also es gab nicht nur Armut in dieser Stadt. Der Vater hat gleich die Sauna angeworfen und die Schwester gekocht. Nastja hat mir all ihre Fotoalben gezeigt. Anscheinend ist Reisen fuer Russen kein Problem, wenn sie Geld haben.

Die Sauna war ein Genuss, tat meinen Muskeln so richtig gut. Natuerlich kamen wieder die Eichblattzweige zum Einsatz.

Danach noch ein prima essen mit russischem Wodka und Pivo und ich fiel wie tot ins Bett und habe prima geschlafen.
Waehrend dem Essen hat mir der Vater noch einiges ueber die Stadt erzaehlen koennen. Es gibt kaum mehr Arbeit dort. Die Bevoelkerungszahl hat sich in den letzten Jahren auf die Haelfte, 7000 reduziert. Fast alle waren Mienenarbeiter, "Black Gold" ich glaube das ist Eisenerz. Wenn man durch die Gegend faehrt, sieht man entweder grenzenlose Felder oder diese riesisgen Maulwurfhuegel der Mienen.

Da die Arbeit dort immer mehr eingestellt wird wandern die meissten nach Moskau, St Petersburg oder Soci ab.

Am naechsten Tag ging es dann in die Schule. Die Lehrerinnen waren mal wieder viel aufgeregter eine richtige Deutsch hier zu haben als die Schueler, die nur schuechtern in ihren Baenken sassen und sich nicht getraut haben etwas zu sagen. Mittlerweile bekomme ich auch darin Routine und frage die Schueler nach ihren Hobbies, ob sie auch mal reisen moechten etc...

Einer der Schueler kam dann auf die Idee sich von mir ein Autogramm geben zu lassen. Das hat dann den Stein ins Rollen gebracht und ich hatte auf einmal die ganze Schule vor mir. Ich weiss nicht in wieviele Buecher und Hefte ich geschrieben habe. Wenigstens mussten sie dann auf Deutsch oder Englisch sagen, wie sie heissen und in welcher Sprache sie den Eintrag haben wollen.
Danach gings dann wieder aufs Fahrrad, Dank den guten Bedingungen und der Sauna am Abend vorher, was wie ein Jungbrunnen wirkte, kam ich sogar noch ganz schoen vorran.

Am Abend fand ich ein prima Platz zum Zelten, am Rande eines winzigen Dorfes umgeben von Feldern an einem Fluss. Leider wurde mir in der Nacht auch akkustisch die Groesse der Felder klargemacht. Ungefaehr um 20 Uhr hat der Bauer angefangen sein Feld zu pfluegen. Das ging dann bis um Mitternacht und um 2 Uhr morgens gings weiter. Wahrscheinlich um die Auslastung der Maschinen zu garantieren arbeiten die Bauern im 3 Schicht betrieb. Es gibt ja auch ein riesiges Gebiet zu beackern.


Am naechsten Tag war es eigentlich recht schoen, aber ich hatte starken Gegenwind. Immer wieder habe ich mir gesagt, ich kann mich ueber das schoene Wetter freuen oder ueber den Gegenwind aufregen, das liegt alles nur an mir. Dieses Wetter hielt die naechsten Tage so an.

Eigentlich sind gerade, lange Strecken kein Problem, aber wenn man schon 3 Stunden vorher sieht, was man erst nach 4 Stunden erreicht, wird es muehsam. Dann ist Ablenkung angesagt. ZB. Zugwaggons zu zaehlen. Je groesser das Land, desto laenger die Zuege. An einem Bahnuebergang habe ich mich gewundert, dass alle gleich den Motor abgschaltet haben. Stunden spaeter wusste ich warum, die stehen hier nicht zum ersten Mal und wissen, wie lange das dauern kann: 3 Logs und 77 Waggons.



Bei strahlendem Sonnenschein kam ich nach Wolgagrad, ehemals Stalingrad. Jetzt eine wunderschoene Stadt mit einer schoenen Promenade an der Wolga. Vom Krieg ist kaum mehr eine Spur, nur natuerlich Denkmaeler und die riesen Frau mit dem langen Schwert, das ueber der Stadt schwebt, Mamaez Kurzan, oder so aehnlich. Natuerlich gibt es auch hier ein McDonalds:

Abneigung gegen Deutsche habe ich ueberhaupt nicht zu spueren bekommen, im Gegenteil.

Noerdlich von Wolgagrad, in einem kleinen Staedchen wunderschoen an der Wolga gelegen, haette ich beinahe eine Nacht im Krankenhaus verbracht. Nicht dass mir etwas passiert waere, aber auch hier meinte man, dass es doch im Krankenhaus viel besser waere als im Zelt. Da die Frauen sehr nett und hilfsbereit waren, habe ich sogar zugesagt. Ein kleines Maedchen hat sich meiner Angenommen, um mir russisch beizubringen, das war richtig goldig, mit einer Engelsgeduld hat sie darauf geachtet, dass ich alles richtig ausspreche.

So sassen wir in dem mir zugewiesenen Zimmer, als auf einmal 2 Herren erschienen, der eine Buergermeister der Stadt, der andere ein junger Polizist in Zivil. Sie haben versucht mit auszufragen, aber da sie wieder enlisch noch deutsch sprachen war es recht problematisch. Der Polizist begutachtete mein Pass und Visum. Irgendwann hiess es ich solle alles zusammenpacke und mitkommen, so wurde ich dann von der Polizei abgefuehrt. Da mein Fahrrad nicht auch noch ins Auto passte, bin ich quer durchs Dorf hinterhergeradelt. Natuerlich habe ich viel zu wenig mitbekommen, was eigentlich abgeht und war dann doch sehr erfreut, dass die Fahrt nicht auf einem Polizeirevier endete, sondern daheim beim Buergermeister. Seine Frau hat natuerlich wieder fuer mich gekocht und mit seiner Tochter haben wir uns dank dem Woerterbuch sehr gut amuesiert. Der Polizist war der Schwiegersohn des Buergermeisters, er schaute mich nur mit skeptischen Blicken an. Auch wenn es mit den Frauen ganz nett war, ich war doch froh, als ich am naechsten Tag in Freiheit weiter radeln konnte.


Die Wolga hat kaum gefaelle, darum sieht es eher aus wie ein sehr grosser, ruhiger See, wunderschoen. Die naechste Nacht habe ich wieder bei dem Anblick naechtigen koennen, auf einer Wiese eines Bauern. Das war so schoen ruhig und friedlich, dass ich am liebsten dort gebliegen waere.


Habe ich mir erst vor ein paar Tagen einen Sonnenbrand bei 30 Grad geholt, musste ich jetzt ganz schoen frieren. Die Scheiben der Autos waren zugefroren und die Temperatur stieg kaum ueber 4 Grad. So viel Bortsch zum Aufwaermen habe ich schon lange nicht mehr gegessen.

Ich bin so froh, dass ich hier in Saratov 2 Naechte bleiben kann und hier in dem Reisebuero von Vladimir das Internet benutzen, waehrend draussen der eisige Wind tobt. Es gibt schon arg nette Menschen hier.