Sonntag, 1. Juni 2008

Die ersten 10 000 km

... sind noch nicht geschafft. Gerade mal 9828! Trotzdem, ich bin in Irkutsk.






Zur Beruhigung der Leserschaft: Das Ergebnis der Laboruntersuchung wegen der Zecke ergab: harmlos. Allerdings hatte ich in der Zwischenzeit eine Zweite, dich ich mit meinen Kettenfliesfett und Teebaumoel abends im Zelt entfernt habe. Zum Glück war sie am Oberschenkel, muss mich beim Pinkeln erwischt haben. Die dritte Zecke habe ich schon reflexartig vom Nacken entfernt, bevor sie richtig zubeissen konnte. Vielen Dank für die Zuschriften über Zecken. Es scheint ganz so, als käme ich da ganz gesund durch. Zumindest fühle ich mich noch pudelwohl.

Als ich von Krasnojarsk losgefahren bin, hat es zwar nicht mehr geregnet, aber es hingen tiefe Wolken am Himmel und es war immer noch sehr kalt. Das führte dazu, dass es später noch angefangen hat zu schneien. Ich hoffte nur, dass das jetzt endgültig der letzte Schnee in den nächsten 3 Jahren sein wird. Das andere Unerfreuliche an dem Tag war, ein Fernfahrer hat mir Fotos von der Strecke nach Irkutsk gezeigt. Von Asphalt keine Spur mehr nur noch eine einzige Schlammlacht zwischen den LKWs. Er hat nur gelacht, als ich erfuhr, dass ich da mit dem Fahrrad durch will. An dem Abend bin ich wieder in ein Hotel geflüchtet. Da es an den Landstrassen keine mehr gibt, bin ich in ein Dorf, eine Siedlung gefahren, wie sie so oft entlang der Eisenbahnlinie gibt. Eigentlich eine recht traurige Angelegenheit. Alles heruntergekommen und die Leute sehen aus, als ob in den letzten Generationen zu wenig Genaustausch stattgefunden hätte. Wie so oft in Sibirien, gab es auch hier kein warmes Wasser.
Kansk war dann schon ein bisschen groesser, obwohl die Frau, die ich nach dem Weg gefragt habe, meinte, es wäre eine sehr kleine Stadt. Immerhin war die Ausdehnung über 25km. Im Bezug zur Groesse Russlands wirklich winzig.
Nachdem ich die nächsten 100 km hinter mich gebracht hatte, dachte ich eigentlich, dass es das war, das schlimmste überstanden. Mir ist es ein Rätsel, wie Strassen so zerstört werden können. Teilweise war vom Asphalt keine Spur mehr, oder in der Mitte meterhoch aufgebrochen. Da, wo noch etwas vom Belag erkennbar war, waren Schlaglöcher so breit und tief, wenn ich die alles ausgefahren wäre, hätte ich 10 km mehr. Es gab ein Stück, da habe ich mein Fahrrad das erste Mal schieben müssen, es ging sonst nichts mehr. Schotter und bergauf, selbst beim meinem schwer beladenen Rad drehte das Hinterrad nur durch. Ansonsten war es ganz nett, mit den Hügeln, Wäldern und Dörfer.



Nur, die schlechten Strassen gingen weiter, nur war ich jetzt im Oblast (Bezirk) Irkutsk, da nennt man das halt nicht mehr Baustelle, da ist das weitgehend normal. Nur halt nicht für mich. Das erste mal, dass ich ein wenig laut geworden bin. So Sand kann die Fahrt recht abrupt stoppen. Meine Aeusserungen haben außer dem Kuckuck niemand interessiert. Es ist auch recht auffallend. Egal was passiert, der Russe bewahrt stoische Ruhe. Außerdem nutzt es eh nichts, die schlechten Strassen werden dadurch auch nicht besser. So ging es dann noch ein paar hundert km, bis ein Lastwagen anhielt und ich gefragt wurde, ob ich mit möchte. Sergei und Tule fuhren bis Tulun.



Natürlich habe ich diesmal wieder nicht lange überlegt. Aktiv halte ich ja niemand, so wie ich auch nicht unbedingt einen Zug nehmen will. Weiß auch nicht woher das kommt, wahrscheinlich Reste eines sportlichen Ehrgeizes. Zum Glück habe ich auch gelernt, dass ich mir helfen lassen kann. Wenn jemand anhält und mich mitnehmen will, kann ich auch mal ja sagen, ich habe ja niemanden etwas zu beweisen. So blieben mir 130 km erspart, davon 40km wirklich übelster Art. Leider war ich für eine Konversation mittels Wörterbuch viel zu fertig, trotzdem habe ich es genossen in deren Gesellschaft zu sein nach Tagen in den Wäldern. Von einem Meter Höhe und voll gefedert fühlen sich die Schlaglöcher schon ganz anders an. Ich werde den beiden ewig dankbar sein, dass ich da nicht mit dem Fahrrad durchmusste.


Nach Tulun war dann der schrecklichste Tag vorbei. Es ging nur noch auf festen Strassen, manchmal recht bergig, weiter. Ab und zu kreutzte ein russischer Cowboy meinen Weg.




Als ich am letzten Abend vor Irkutsk einen Schlafplatz suchen wollte, war auf einem der ganze Wald verschwunden, nur noch riesige Felder. Macht nichts, dachte ich, ich wollte eh mal wieder in ein Dorf. Es dauerte nicht lange, da wurde mir auch schon ein Schlafplatz angeboten, im Zelt sei es doch zu kalt. Das kleine Haeusschen von Vela und Sascha bestand eigentlich nur aus Küche und einem Raum. Hinter dem Schrank stand noch ein Bett, das wurde mir zugewiesen. Voller Stolz hat Sascha mir seinen ganzen Hof gezeigt. 2 Schweine, 2 Kühe, 3 Kälber, Hühner, Gänse, Schafe dazu noch Hunde und Katzen. Die frisch gezapfte Milch musste ich natürlich auch gleich trinken, außerdem gab es Borsch und irgendein gebratenes Fleisch. Und wieder mal hieß es „ Kuschet, Kuschet“ Essen, essen.
Am nächsten morgen war Vera natürlich schon Kühe melken, waehrend Sascha noch im Bett lag. Mir wurde ein Frühstuück präsentiert, das dem Abendessen in nichts nachstand. Ich weiß nicht, wie viele Eier in dem Rührei verarbeitet wurden. Zusammen mit dem in Fett gebratenen Fleisch ist mein Cholesterinspiegel von 0 auf 100 in wenigen Minuten gestiegen.
Schon früh morgens trieben andere Bäuerinnen aus dem Dorf ihre Kühe auf der Strasse ad dem Fenster vorbei. Wie überall in diesen Häusern sind die Fensterbänke voll von Setzlingen, meist Tomaten und Bohnen. In Sibirien ist es zu kurz warm, als dass sonst etwas gedeihen könnte.
Dank der reichhaltigen Verpflegung war die letzte Etappe ein Kinderspiel. Es dauerte allerdings ein Weilchen, bis ich bei meiner Gastgeberin war. Obwohl es schon recht spät war, gingen wir noch in ein „Experimentiermuseum“ das Freunde von ihr aufgebaut haben. Hier können Kinder und Erwachsene selbst experimentieren und über die Ergebnisse staunen. Schon erstaunlich was die Wissenschaftler als Hobby in Eigeninitiative hier aufgebaut haben. (Mehr unter http://www.experimentary.ru/)


Meine Hauptaufgabe hier in Irkutsk war natürlich mein Mongolisches Visum. Am ersten Tag (Montags) kam ich gerade um 14:30 an, wenn das Konsulat eigentlich öffnen sollte. Aber just in diesem Moment kam eine Frau raus und hat eine Notiz ausgehänt, von nun an nur noch vormittags offen ist. Also gut. Am nächsten Tag traf ich zum Glück andere Reisende, die auch ein Visum wollten. Der Antrag für das Visum ist eigentlich kein Problem. Nur muss man dafür Geld einzahlen, dafür muss man aber ein Konto haben, dafür muss man eine Registrierung haben……Das Ergebnis war, dass wir zu viert den ganzen Vormittag auf der Bank verbracht haben und gerade noch kurz vor 12 Uhr wieder auf dem Konsulat den Antrag abgeben konnten.

Auch mein Fahrrad bekam nach den Strapazen ein bisschen Pflege und einen neuen Zahnkranz. Die Kette ist vom Staube und Dreck befreit.

Zum Glueck gab es ueberall die KWAS -Tanks. Man nennt es eigentlich Brottrunk, hat aber mit unserem Brotsaft, nichts zu tun, schmeckt viel besser, eher wie Malzbier


Irkutsk macht für mich einen ganz anderen Eindruck als alle andere Russische Städte, obwohl die Strassen gleich heißen, (Uliza Lenina, Uliza Karla Marxa, Uliza Gagarina, …..) und es das obligatorische Lenindenkmal gibt. Vielleicht war es auch nur, weil es extrem warm war. Es gibt unglaublich viele Jugendliche, viele sind mit Mountainbikes unterwegs, auch sonst eine recht aktive, dynamische Stadt. für mich, nach Tagen in den sibirischen Wäldern einerseits mal wieder nett unter Leuten zu sein, das erste mal auch deutsche Touristen zu treffen, aber es reicht dann auch recht bald. Ich hoffe ich bekomme heute Nachmittag mein Visum, dann kann ich weiter fahren.