Dienstag, 18. März 2008

Lost in Ukraina

Das letzte Land vor Russland. Es geht immer weiter in den Osten. Nach einem kurzen (2,5 km) aber zeitlich langem (1,5 Std) Aufenthalt (wegen 4 Grenzenposten) in Moldavien, bin ich in Ukraine angekommen. Der erste Eindruck war: Na ja, tiefer Osten. Die Strassen Betonplatten a la Swissera, durchloechert mit Schlagloechern. Um diese Jahreszeit kann man von der Natur nicht viel Farbe erwarten, auch sonst war es nicht bunt. Die Gesichter der Leute waren recht trostlos, kein Laecheln. Nachdem ich aber Reni, die erste Stadt, hinter mir gelassen hatte, wurde die Strasse auf einmal wesentlich besser. Es wurde richtig zum Genuss dort durchzuradeln, links und rechts der Strassen Seen, im Sommer wahrscheinlich ein wahres Vogelparadies. Jetzt kann man nur ein paar Exemplare sehen. Weiter gings nach Izmail, der ersten groesseren Stadt, noerdlich des Donaudeltas. Von der war ich total begeistert, sehr sauber, hat eigentlich alles, auch ein Internet-cafe.

Nach den anderen Laendern faellt die Sauberkeit von Ukraine richtig auf. Es gibt einfach nicht immer und ueberall die Plastiktueten, die dann nachher doch nur in Baeumen und Straeucher haengen.

Weiterhin ist es recht eben mit Seen, Fluessen und Schilf neben der Strasse. Nicht viel Moeglichkeiten zum Pinkeln. Zum Glueck sieht man schon Minuten vorher ob ein Auto kommt.



Dem Toursismus in der Ukraine waere sehr geholfen, wenn sie auch abseits der Fernverkehrstrassen Wegweiser aufstellen wuerden. So ist man auf die Ukrainer angewiesen und "links, rechts, geradeaus" sind die ersten Worte, die ich auf Russisch lerne noch vor Hunger und Durst. Der wird einfach dadurch gestillt, dass man einfach in den Laden geht und auf das zeigt, was man gerade moechte. Zusammengerechnet wird dann mit dem guten, alten Abacus.



Wie die Laune der Leute so auch das Wetter, beides recht unfreundlich. Wenn ich nach einem Hotel frage (auch eines der ersten Saetze, die ich lernte), lassen sie mich einfach im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen.

Langsam ging es Odessa zu. Die Herausforderung hier war nicht nur der Wind, sondern auch der Verkehr. Nach dem ich wochenlang die Strasse nur mit Schafen und Pferdekutschen teilen musste, war das doch ein bisschen zuviel. Aber es hat sich gelohnt. Odessa ist eine der schoensten Staedte seit Wien. Es hat sich richtig herausgeputzt, die Preise auch. Trotzdem, ich fand in der ganzen Stadt keine Postkarten. Vielleicht gibts die auch erst im Sommer, wenn mehr Touristen da sind.



Ich bin immer mehr davon ueberzeugt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Freundlichkeit des Wetters und der Menschen gibt. Dass schlechtes Wetter auf des Gemuet schlaegt und deswegen der Mensch schlecht gelaunt ist, weiss man ja. Aber anders herum...?

Heute bin ich total nass in einen Laden da hat die Frau mir doch tatsaechlich einen Tee zum Aufwaermen angeboten, richtig freundlich und als ich wieder raus kam war auch das Wetter wieder richtig nett.

Nach 100 km habe ich dann in einem Dorf nach einem Uebernachtungsplatz gefragt, das wurde aber total ignoriert. Ist es in den anderen Laendern auch nicht so sauber, die Gastfreundschaft ist aber erheblich groesser. Da es zum Zelten einfach zu nass und kalt war, bin ich einfach durchgefahren. Dunkel wars, der Mond schien nicht helle, als ich in der naechsten grossen Stadt ankam. Da hatte ich dann recht viel Glueck, denn da war auch gleich ein Hotel, das mir eine nette Ukrainerin gleich gezeigt hat. Man muss gerechter weisse sagen, es gibt auch sehr freundliche Ukrainer, wie auch manchmal die Sonne scheint.

Nicht nur die lange Distanzen, auch sonst ist Radfahren hier ein Abenteuer. Entweder man faehrt auf Fernstrassen, hat Wegweiser und man weiss, wo man hinfaehrt, dann wird der Verkehr zum Abenteuer. Biegt man von der Fernstrasse ab, dann ist kaum mehr Verkehr, dafuer hat man keinerlei Wegweiser. Weder die Landkarte (aus Deutschland) noch die auf dem GPS ist brauchbar. Hier sind ueberhaupt keine Karten zu haben, ich habe in Odessa alles abgesucht. Wahrscheinlich wollen die gar nicht, dass jemand Fremdes sich hier zurecht findet, da koennte ja jeder kommen, ueberhaupt jetzt, wo man kein Visum mehr braucht.

Nachdem ich am vorherigen Tag lange genug das Abenteuer mit dem Verkehr hatte, bin ich nun das Wagnis mit der Wildnis eingegangen. Landschaftlich war es sehr schoen, an der Kueste des Schwarzen Meeres entlang. Aber leider habe ich mich auf einmal am Ende der Strasse befunden. Ich war voll davon ueberzeugt, dass das die Richtige sein muss, da es die einzig geteerte war und die Busse in die Richtung fuhren. Tja, der Teer hoerte auf und die Busse drehten um. Mir blieb auch nichts anderes uebrig. Schliesslich haben mir nette Ukrainer gesagt, ich muesse den Feldweg entlang, irgendwann wuerde ich dann schon in Kherson ankommen. Zum Glueck war die Strasse nach 5km wieder geteert und ich konnte die Landschaft wieder besser geniessen.

In Kherson hatte ich ueber den Hospitality Club meine erste private Einladung. Darauf war ich recht gespannt, wollte doch endlich mal mehr ueber dieses Volk heraus bekommen. Lussie wohnt mit ihrer Tochter und Enkelin in einer winzigen Wohnung im 6. Stock, bei ihr habe ich mich das erste mal willkommen gefuehlt. Die Enkelin war auch recht aufgeschlossen aber ihre Tochter kam ueberhaupt nicht aus ihrem Zimmer.

Ich meine jetzt wenigsten einen der Gruende fuer die Abneigung zu kenne. Lussie war "nur" in den osteuropaeischen Staaten, Ungarn, Estland, Letland, Russland. Fuer den Westen sie viel zu viele Papiere, es ist so gut wie unmoeglich. Jetzt kann ich mir vorstellen, dass ich fuer so manchen ein Dorn im Auge bin, ich die Deutsche, die fast frei ueberall herumradeln kann.