Montag, 12. Juli 2010

Von den Anden an die Karibik

Nach Cali hatte ich zwei hervorragende Fahrradtage, keinen Regen, kaum Berge, nur Kaffeeplantagen und Zuckerrohrfelder um mich herum. So konnte ich endlich mal wieder Strecke machen. Am ersten Abend fand ich in einem kleinen Ort ein nettes Hotel, genug kleine Essensstaende um mich herum und auf dem Platz in der Mitte des Dorfes konnte ich Frauen beim Fussballspielen zuschauen.Darueber war ich sehr ueberrascht, befinden sich normalerweise Frauen nicht mal unter den Zuschauern.

Am zweiten Abend war ich mal wieder Mitten in der Pampa, nur Haciendas und Fincas um mich herum. Da sah ich auf einmal ein Schild fuer einen Campingplatz, sehr aussergewoehnlich, in Kolumbien gibt es kaum welche, erst zweimal habe ich welche gesehen, aber immer zu frueh am Tag.
Den wollte ich mal ausprobieren. Ein paar Zelte habe ich schon von Weitem gesehen. Auch nicht schlecht mal mit Kolumbianern zu zelten, dachte ich . Aber zu frueh gefreut. Vor dem Platz war ein grosses Schild “Familien bevorzugt.” Das hohe Tor war fest verschlossen. Eine etwas aeltere Frau hat mich gesehen, wusste aber nicht, ob sie mich herein lassen kann. Sie machte nicht gerade den hellsten Eindruck, ich habe aber auch sehr wenig verstanden, was sie mir die ganze Zeit gesagt hatte. Je weiter ich in den Norden komme, desto unverstaendlicher wird das Spanisch. Manche Woerter sind auch ganz anders.
So viel verstand ich aber, dass es 2000 Pesos fuer den Tag und 10 000 fuer ein Zelt kostet. Wahrscheinlich dachte sie nicht, dass ich so viel zahlen wollte, fuer eine Person ist das auch so viel wie fuer ein Zimmer.
Immer wieder meinte sie, sie waere nicht der Besitzer und sie wisse nicht, ob sie mich herein lassen koenne. Ich dachte, das kann wohl nicht sein. Da stand eine mueder Fahrradfahrerin darf aber nicht herein.
Irgendwann wurde es mir zu bloed und gab auf. Ich wusste, ich werde noch etwas anderes finden. Es wurde schon langsam dunkel und noch dunklere Wolken zogen auf.
Dann kam wieder eine Hacienda mit dem Haus auf der einen Strassenseite und einer Pferdekoppel mit einem leerstehenden Haus etwas abseits der Strasse, auf der anderen Seite. Ich fragte die Frauen an dem Haus und es war kein Problem. Kinder kamen und haben mir das Tor aufgeschlossen und hinter mir wieder abgeschlossen, so fuehlte ich mich sogar noch sicherer. Neben dem leerstehenden Haus war ein schoenes Stueckchen Wiese, auf dem ich mein Zelt aufstellen konnte, eine volle Regentonne war da und als es anfing zu regnen konnte ich unter dem Vordach von dem Haus kochen. Was will man mehr?

Die ganze Nacht durch und auch am Morgen hat es geregnet. War ja alles halb so schlimm, ich hatte ja mein Dach, nur das Zelt musste ich total nass einpacken, was mein Superleichtzelt mindestens doppelt so schwer machte.
Als ich los fuhr hoerte es dann auf. Da der erste Arbeiter von der Hacienda schon auf die Koppel gekommen ist, war das Tor wieder offen und ich konnte ungehindert wieder in die Freiheit.
Was mir am Abend zuvor nicht so bewusst war, war, dass ich praktisch am Fusse des Berges gezeltet hatte. Ausserdem waren die gruene Punkte auf meiner Landkarte, die normalerweise auf Orte hinweisen, nur ein paar Huetten.

Der naechste richtige Ort war nur 20km weiter, aber wieder 1000 meter hoeher.
Dafuer ging es durch eine wunderbare Landschaft.



Der Anfang der Zona Cafetera.
Die Kombination von Bananenstauden und Kaffeepflanzen sah manchmal ganz witzig aus.



Obwohl die Kirche des Ortes auf dem Gipfel des Berges lag, ging es danach nicht wirklich wieder runter. Hinter jedem Berg lauert der naechste Berg, noch maechtiger noch schicksalstraechtiger ! (wer Ambros darin erkennt muss meine Generation sein) Teilweise fuhr ich durch Wolken, auf einem Bergkamm war auf der einen Seite strahlend blauer Himmel und Sonnenschein und auf der anderen Seite nur Nebel. Nach den 34 km bergauf kam dann endlich mal wieder eine fantastische Abfahrt, mindestens 20km bis zum naechsten Ort, wo ich uebernachtete.
Der naechste Morgen war ein wunderbarer Start in den Tag. Wenn ich gezeltet haette, waere es vollkommen genial gewesen. Schon morgens war es angenehm warm, die Sonne kam durch den Fruehnebel ueber dem dichten Gruen und es ging immer noch abwaerts, zuerst ziemlich rassant, dann gemaessigt einem Fluss entlang aber wunderschoen durch Schluchten, bis ich ganz unten den Fluss ueberquerst hatte. Hier wollte ich lieber nicht wissen, wie weit ich gesunken war, ich wusste, ich musste alles wieder hoch. Aber das es sehr weit unten war spuerte ich an der fast unertraeglichen Hitze.
Als es auf halber Strecke nach oben angefangen hatte zu regnen, habe ich mich kurz an einem Restaurant untergestellt. Da stand schon ein einheimischer Rennradler. Er meinte, er komme aus Santa Barbara und zeigte auf den Gipfel eines Berges, wo ein Dorf zu erkennen war und meinte das sei Santa Barbara. Na prima, da wollte ich heute auch noch hin. Die Pause wurde dann nicht lange, ich wusste ja, was mir bevor stand. Also machte ich mich wieder auf die enge Strasse mit den vielen Kurven. Die Autos kamen immer gebuendelt, da ueberholen absolut nicht moeglich war. Ein langsamer LKW dann ca 10 Autos im Gefolge, danach wieder fuer ein Weilchen Ruhe. Fahrradfahrer hingen sich hinten and die langsamen Trucks. Das liess ich mit dem ganzen Gepaeck lieber bleiben. Ich genoss die anerkennenden Gesten der Autofahrer. Die vielen Mangos, die am Wegesrand reiften haben mir auch weitergeholfen, zwar sehr fasrig, aber sehr saftig. Gerade als ich im Dorf angekommen war, ging wieder ein Regenschauer nieder, sehr laestig bei der Zimmersuche. Darum habe ich gleich das naechste genommen, was mir ueberhaupt nicht gefallen hatte, auch die Leute waren nicht sehr freundlich. In solchen Momenten koennte ich in Selbstmitleid zerfliessen, nach so einem Tag so eine Unterkunft ist einfach nicht fair Aber es hoerte eh niemand zu, interessierte niemand und brachte eh nichts. Also lieber die Energie fuer etwas Konstruktieveres verwenden.

Auch hier war hinter dem Berggipfel gleich der naechste Berg. Es hatte zum Glueck aufgehoert mit Regnen und die Wolken liess ich mal wieder unter mir.



Es war aber nicht mehr so lange wie tags zuvor und dann ging es nur noch runter und auf gut ausgebauter Strasse nach Medellin, einer der groessten Staedte Kolumbiens, das was ich gesehen habe war aber nicht sonderlich attraktiv.
Jeder, der mich angesprochen hatte, habe ich nach einem Hotel gefragt, bis mich ein Mann mitten im Zentrum in ein absolut untouristisches Hotel fuehrte, war aber sauber und relativ ruhig und die Leute nett.
Es war erst Mittagszeit und ich konnte alles erledigen, was ich hier erledigen wollte und die Stadt ein bisschen Anschauen.

Recht interessante Einkaufscentren gab es hier.




Aber es war Samstag und alles war voll. Natuerlich hat es am Nachmittag wieder angefangen zu regnen und alles draengte sich unter die Daecher.
Gegen spaeter hat habe ich noch eine Tango Veranstaltung gesehen.



selbst die Kleinen machen schon mit.

Mich hielt hier nichts, und da Sonntag war, dachte ich es ist weniger Verkehr, also besser gleich wieder die Stadt verlassen.Dem war aber nicht so. Obwohl ich wieder frueh los bin, war doch einiges los.

In manchen kolumbianischen Staedten sind Sonntags ganze Strassen fuer den Verkehr gesperrt und nur fuer Fahrradfahrer freigegeben. Ich hatte mir noch ueberlegt, ob das hier wohl auch so ist, hatte es dann aber wieder vergessen, erst als ich fast aus der Stadt draussen war, sah ich, dass eine andere Strasse gesperrt war und nur Fahrradfahrer sich tummelten.



Schade, dass ich das nicht schon frueh gewusst habe.

Dann kam der letzte, wirklich lange Anstieg! Zuerst noch gemaechlich, ca 30km bis zu einer groesseren Abzweigung. Da wollte ich mir eigentlich nur zwei Bananen kaufen. Der Verkaeufer muss gewusst haben, was mir bevor stand, er schenkte mir nochmals zwei.
Dann gings fast 40km nur bergauf. Zuerst sah man die Strasse den Berg entlang hoch gehen, dann hinter dem Berg verschwinden. Hat man die Kurve erreicht, wurde einem klar, das wiederholt sich gerade nochmal. Das war so ca 4 mal der Fall, dann verschwand alles in den Wolken, wahrscheinlich zum Glueck. Ich sah ueberhaupt nichts mehr, ausser irgendwann einen Radfahrer am Strassenrand sitzen. Ich fragte, ob ich helfen koenne, er meinte aber nur, er sei so muede. Luis kam dann aber doch hinter mir her geradelt, wahrscheinlich hat er mich als Schrittmacher gebraucht. Obwohl er ein gutes Mountainbike hatte und nur einen kleinen Rucksack als Gepaeck, gab er nach ein paar Kilometer wieder auf.
Ich fuhr weiter zum naechsten Restaurant, wo ich mir etwas zum Trinken kaufen konnte. Hier muss er mich wieder ueberholt haben, denn kurz vor Santa Barbara, auf fast 3000m Hoehe sah ich ihn auf einmal wieder vor mir. Ich bog in den Ort ab, er hatte mir vorher schon gesagt, er wolle noch ein paar Kilometer weiter. Hier goennte ich mir mal wieder ein besseres Hotel mit warmer Dusche, eine Seltenheit hier. Auf einmal stand Luis auch wieder da. Anscheinend war er zu kaputt zum Weiterfahren.
Die ganze nacht durch hat es geregnet und dachte gar nicht daran aufzuhoeren, als wir am naechsten Morgen gestartet sind. Ich weiss nicht was es war, aber Luis war ein sehr angenehmer Mitradler, redete kaum etwas, blieb immer hinter oder neben mir. Nach ca 20km bog er ab, das war so ziemlich der hoechste Punkt. Von hier ging es fast nur noch abwaerts. Chiao Andes!! Das war so ziemlich das Ende der Anden. Leider habe ich kaum etwas gesehen, fast alles war in den Wolken. Trotzdem habe ich beschlossen, es zu geniessen. Es war auch wunderbar, ueberall Wasserfaelle.




Je tiefer ich kam, desto waermer wurde es, ich kam in eine ganz andere Klimazone. Alles war voll bunter Blumen und Schmetterlinge.

Oft war die Strasse halbseitig gesperrt. Entweder war die eine Seite in die Tiefe abgebrochen oder die Bergseite verschuettet. “Geologisch instabil” nennt man das hier.

Dann war ich unten am Fluss,




Hoehe nur noch ca 300m. Der Fluss begleitete mich die naechsten Tage, es war einfach traumhaft schoen, ich muss den ganzen Tag gelaechelt haben. In richtigen Abstaenden kamen Orte, in denen ich Melonensaft oder Mangos bekam, was anderes kann man bei der Hitze und Schwuele nicht zu sich nehmen.
Meistens bekam ich von dem Wassermelonensaft gratis immer kraeftig nachgeschenkt.

Die Strecke bis Cartagena am Atlantik war weiterhin sehr huegelig. Jeden Tag wurde ich vom Regen ausgebremst. Die gnadenlose Hitze am Morgen wurde durch ein kraeftiges Gewitter abgeloest.
Die Orte aenderten sich, man ist auf einer der Haupttouristenstrecke. Keine kleine Laeden mehr, geschweige denn meinen Melonensaft, sondern handwerkliche Produkte schoen aufbereitet fuer die Vorbeifahrenden. Ein Ort war voll von Schuhen, der naechste Huete, Ponchos, Taschen etc,




Der Tag, an dem ich Cartagena erreicht hatte, war Samstag 3. Juli, der Tag des ¼ Finales Deutschland Argentinien. Beim Spielbeginn war es in Kolumbien 9 Uhr morgens. Kurz darauf erreichte ich die Peripherie der Stadt. An jeder Tankstelle, Werkstatt, Restaurant stand ein Fernseher. Die erste Halbzeit ging ja noch, ich habe das 1:0 gesehen und bin dann weiter gefahren. In der zweiten Halbzeit fielen die Tore ja nur noch so, ich habe es nicht einmal von einem Fernseher zum naechsten geschafft. Die letzten 15 Minuten habe ich dann zwischen Automechanikernn und Autoreifen gesehen. Unglaublich. Dieses Spiel hat wahrscheinlich nicht nur in Kolumbien der Deutschen Mannschaft sehr viel Sympathie verschafft. Ich bin Joachim Loew und dem Team sehr dankbar, von nun an kannte jeder die Deutsche Fahne, mir blieb die ewige Frage, woher ich komme erspart. Die letzten Kilometer nach Cartagena waren dann wie ein Triumphzug, als ob ich das Spiel gewonnen haette.

Dann hatte ich den Atlantik erreicht,





mein grobes Ziel in Suedamerika.

Cartagena, wahrscheinlich die schoenste Stadt Kolumbiens, hier legte ich zuerst mal eine Pause ein.



Zwei Tage lang streifte ich durch die Gassen,




und ernaehrte mich von den herrlichen Fruechten,




Nachmittags war die Hitze kaum ertraeglich, trotz der kuehlen Brise vom Meer.
Dafuer erwachte die Stadt nach Sonnenuntergang zu neuem Leben, ueberall afrikanische Trommeln und Tanz.
Es war die erste Stadt in Kolumbien, in der ich Touristen und dann gleich sehr viele, gesehen hatte.

Auch wenn mir die Stadt sehr gut gefallen hat, bin ich weiter, dem Atlantik entlang Richtung Osten. An einer Tankstelle sah ich zwei deutsche Motorraeder stehen. Conny und Michael waren gerade dabei das ½ Finale Uruguay Holland anzuschauen, liessen sich aber gerne unterbrechen. Sie waren auch vor Suedamerika in Australien, aber dann auch noch Neuseeland. Neun Monate waren sie erst unterwegs, es geht halt schneller mit Motor, dafuer habe ich “intensiver” gesehen.

Egal in welchem Land, manchmal sieht man Tiere nur auf irgendwelchen Hinweissschildern. Was das Tier allerdings sein soll,



ich hatte keine Ahnung. Dank Marc Lenzen, dem Uebersetzer, weiss ich jetzt, es ist ein Ameisenbaer!

Um Barranquilla, einer der Millionenstaedte Kolumbiens, habe ich einen grossen Bogen gemacht, danach ging es mit erstaunlich wenig Verkehr weiter. Und flach, total flach, wie auf einem Damm links das Meer rechts Mangrovenwaelder. Ansonsten nichts, gar nichts, ausser der unglaublichen Hitze und Schwuele und das fuer 54km. Nur einmal fand ich ein Plaetzchen, wo ich mich im Schatten ausruhen konnte.
Gerade zu Spielbeginn Deutschland Spanien kam ich zu den ersten Huetten, die standen mehr auf Selzen als auf festem Boden, aber Fernseher hatte sie natuerlich und fuer mich war Zeit eine Pause zu machen. Gleich wurde mir einen Stuhl gereicht. Es zogen schon dunkle Wolken auf, aber angefangen zu regnen hat es erst, als ich in der Halbzeit weiter gefahren bin. Mit einigen Zwischenstops erreichte ich den naechsten Fernseher, ein Schrimps-Stand notduerftig mit Strohmatten gegen Regen geschuetzt. Die zweite Halbzeit hatte schon angefangen, das Gewitter legte kurz darauf los. Wie das kracht zwischen all dem Wasser. Ich dachte schon, der Fernseher macht es nicht mehr lange, dabei war es doch so spannend. Auch unter den Kolumbiern lange Gesichter, als Deutschland verloren hatte.
Da es immer weiter regnete und gewitterte, musste ich vor Santa Marta nochmals einen Zwischenstop einlegen.




Hier in den naechsten Touristenstadt an der Karibik wollte endlich wieder im Meer schwimmen, habe aber bisher noch keinen schoenen Strand gefunden. Aber ich werde noch ein paar Tage in der Gegend sein, werde schon noch einen finden.