Samstag, 6. März 2010

Heute, Dienstag, 2. Maerz, Zwangsruhetag.

Als ich heute morgen Geld aus dem Automaten ziehen wollte, wurde meine Karte einfach einbehalten. So etwas hatte ich schon befuerchtet.
Seit ein paar Tagen bin ich mit meiner Bank und der Betrugsabwicklung in Kontakt, da sich jemand auf meine Kosten ein paar Sachen ueber das Internet bestellt und ein paar schoene Kinoabende gemacht hat. Aber eigentlich wollte ich noch vorher abklaeren, wohin ich eine neue Kreditkarte schicken lassen kann und auf jeden Fall noch Geld abheben. Zum Glueck habe ich noch eine andere Karte. Da muss ich zwar Gebuehren bezahlen, aber wenigstens komme ich zu Geld. Jetzt scheint, ausser dass ich noch nicht weiss wann und wo ich eine neue Karte bekomme, alles geklaert zu sein, ich werde den Verlust von ueber 900 Euro erstattet bekommen.
Da ich jetzt keine VISA Karte mehr habe ist aergerlich, aber es gibt schlimmeres.
Wesentlich schlimmer waere es, wenn ich anstatt in den Norden in den Sueden gefahren waere. Wahrscheinlich hat jeder die Fotos von dem Erdbeben und dem Tsunami gesehen. Ich wurde weitgehenst davon verschont.
Also, noch ein guter Grund fuer einen Ruhetag und Zeit fuer einen neuen Eintrag, um allen mitzuteilen, es geht mir gut, ich hatte absolut keinen Schaden.


So, aber jetzt von Anfang an, was seit dem letzten Eintrag passierte:
Nach dem laengsten Tag meines Lebens, insgesamt 37 Stunden, da ich ueber die Tagesgrenze geflogen bin, und davon 26 Stunden unterwegs, bin ich mit 4 Stunden Verspaetung in Santiago de Chile angekommen. Mir war das ganz egal, da ich so muede war, habe ich schon waehrend dem Flug sehr viel geschlafen und ich wollte eh nirgends mehr hin, nur die erste Nacht auf dem Flughafen schlafen.
Bei der Zwischenlandung in Buenos Aires hat es wie aus Kuebeln geschuettet, ich war recht froh, dass ich gleich weiter fliegen konnte. Allerdings hatten sie anscheinend mein Fahrradkarton im Regen stehen lassen. Als ich ihn in Santiago zurueck bekam war nicht mehr viel uebrig, nur noch ein paar nasse Fetzen. Zum Glueck habe ich ausser 2 Wasserflaschen nichts verloren.
Das Schlafen auf dem Flughafen ging sehr gut, Ohrstoepsel rein und im Schlafsack auf eine Bank liegen, mehr brauchte ich nicht und weg war ich. Es war genug Sicherheitspersonal um mich herum, da brauchte ich mir wirklich wegen nichts Sorgen machen.
Um 7 Uhr bin ich erst wieder aufgewacht, habe mein Fahrrad zusammengebaut und gefruehstueckt. Dann war ich bereit mich auf den 4. Kontinent meiner Reise einzulassen.
Schon bei dem Anblick der Berge rings herum wurde ich richtig aufgeregt, die Freude dieses Land zu erfahren wurde immer groesser.
Ohne groesser Probleme fand ich meinen Weg in die Innenstadt, zuerst Dank eines breiten Seitenstreifens und dann Dank eines Chilenischen Fahrradfahrers, der mir den Fahrradweg auf dem Mittelstreifen zeigte.
Auch das Haus von Fernando, der mich fuer die ersten Naechte eingeladen hatte, habe ich schnell gefunden, es war direkt im Zentrum.
3 Tage habe ich dort verbracht, sehr viel geschlafen und das Noetigste fuer die Weiterfahrt besorgt.
Dank Fernando wurde mir der Einstieg in das total andere Land und Kultur sehr erleichtert, er war eine grosse Hilfe. Nachdem ich am Sonntag bei seiner Mutter zum Mittagessenn eingeladen war, dachte ich nur, wenn alle chilenischen Familien so nett sind, kann ja nichts mehr schief gehen. Muchas Gracia, Fernando!
Santiago hat mir sehr gut gefallen, nachdem ich all die Denkmaeler der beruehmten Persoenlichkeiten gesehen hatte





(Pedro de Valdivia, wer Ines von Allende gelesen hat, weiss Bescheid)


wunderte ich mich, warum ich so erstaunt war, in so einer interessanten Stadt zu sein. Hier war wirklich schon einiges los.


Am Dienstag den 23. Februar war es aber dann so weit, dann ging es los, zuerst mal Richtung Meer.
Recht erfreut war ich, dass ich wenigstens auf dieser Strecke ein MacDonalds fand, das in diesem Fall neben Wifi, das ich aber nicht nutzte, auch eine saubere Toilette bietete.
Da Santiago fast in einem Kessel sich befindet, ist es fast egal in welche Richtung man faehrt, es stehen immer Berge im Weg.


Hier gab es aber auch Tunnels, und noch besser, es ist verboten, durch die Tunnels mit dem Fahrrad zu fahren. Von Patrolienautos wird man durch die Tunnels gefahren. Einfach genial fuer jemanden wie mich mit meiner Tunnelphobie.


Irgendwann ging es nur noch steil bergab ans Meer. Unglaublich wie dicht die Bevoelkerung hier ist. Vor lauter Haeuser sieht man die Berge nicht mehr.



In Vino del Mar habe ich mangels eines Campingplatzes mir ein Zimmer in einem Hostel gegoennt. So konnte ich abends noch das Treiben in der Stadt begutachten. Horden von kreischenden Girlies standen mit Fotoapperat vor fast jedem Hotel. Spaeter im Fernsehen sah ich, dass gerade "Vino 2010" stattfand, irgend eine Fernsehshow mit vielen Stars.


Auf den Strassen sind ganz andere Stars zugange, die mehr die Armut der Bevoelkerung wiederspiegelt. Vor jeder roten Ampel waren Jongleure oder andere Akrobaten, die den Autofahren waehrend des Wartens ihre Kunststueckchen vorfuehrten und kurz bevor es gruen wurde, wurde Geld eingesammelten.


Bevor ich am naechsten Tag weiter Richtung Norden bin, habe ich zuerst mir mal Valparaiso angeschaut. Es soll ja so einmalig sein, dass das Stadtzentrum zum Weltkulturerbe erklaert wurde.
Und in der Tat, es war wirklich sehenswert. Bunte Haeuser besiedeln die Berge. Um die Zugaenge zu erleichtern stehen einige Standseilbahnen zur Verfuegung.




Vino del Mar ist eher ein Badeort. Nach den wunderbaren Straenden in Australien lockt mich hier nichts ins Wasser. Erstens ist es nicht so sauber und zweitens wegen dem Humboldtstrom recht kalt. Aber trotzdem ist die die Kuste sehr pittoresk

Schon in Santiago sind mir die vielen Fahrradfahrer aufgefallen. Fernando erklaerte mir, dass es eine Umstellung bei den oeffentlichen Verkehrsmittel gegen haette, die einige dazu veranlassten auf diese guenstige Transportmoeglichkeit umzusteigen. Auch ist es ersichtlich dass einige Chilenen an Gewichtsprobleme leiden, Xenical wird zu jedem Barbeque mitgenommen, wenigstens von denen, die es sich finanziell leisten koennen. An mehreren Stellen kann man Fahrraeder zur Fitness oder zum Vergnuegen ausleihen.


Weiter ging es an der Felsenkueste entlang, die ab und zu durch Doerfer mit exquisiten Restaurants unterbrochen wurde.

Falls die Australier wissen wollen, wie der Pazifik von der anderen Seite aussieht, hier nochmals ein Extraphoto:





Am Abend erreichte ich meinen ersten chilenischen Campingplatz, sehr schoen angelegt, jeder Platz mit einer Hecke drum herum, einem Tisch, einer Grillmoeglichkeit, Wasser, Steckdose, Licht.....und es hat hier nur Zelte. Ganz selten sieht man mal ein Wohnmobil.


An den anderen Tagesrhythmus der Chilenen musste ich mich auch zuerst gewoehnen. Bei denen gehts erst richtig los, wenn es fuer mich eigentlich schon Schlafenszeit ist. Bis lange nach Mitternacht kann man laute Musik vernehmen. Wieder einmal Dank meiner Ohrstoepsel stoert mich das weiter nicht. Wenn mein Spanisch besser ist, kann ich vielleicht auch daran teilhaben.


Noch tauchen immer wieder kleine Fischerdoerfer auf, in denen man etwas zum Essen und ein Internet Cafe findet.


Was in den Laeden zu haben ist, kann man eventuell den bunten Bildern an den Hauswaenden entnehmen.

Hauptsaechlich fuehrte meine Route auf der Panamericana

 

Wie weit ich da noch auszuharren habe, wird mir ab und zu mitgeteilt.




Bis Antofagasta moechte ich gerne, dann in den Osten, ueber die Anden nach Bolivien.


Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand wirklich den ganzen Kontinent auf der Panamericana durchradeln moechte. Bisher war die Strecke eine gut ausgebaute 4 spurige Autobahn. Gut zu fahren, aber nicht gerade spannend. Fuer mich aber prima mich an Land, Berge und Wind zu gewoehnen. Ab La Serena soll die Strasse dann auch anders aussehen.


Bisher habe ich jeden Abend an einem Campingplatz verbracht. Zum Wildcampen kenne ich Land und Leute noch zu wenig.
Auch in der Nacht des Erdbebens. Ein Schild wies einen steilen, sandigen Weg hinauf, es war so ziemlich in the middle of nowhere, kein Ort, geschweige denn eine andere offizielle Uebernachtungsmoeglichkeit weit und breit.
Als ich die erste sandige Steigung hinter mir hatte, stand ich vor einem offenen Tor und wurde willkommenn geheissen.





Der Weg wurde immer schlimmer, sandiger, steiniger, steiler, zuerst rauf, dann runter 200 Hoehenmeter. Ich fragte mich, wie ich hier am naechsten Tag wieder hoch kommen sollte. Aber irgendwie war ich zu neugierig, wie es weiter geht.
Was mich dort unten erwartete hat sich aller Muehe geloehnt, ein sehr kleiner, felsiger und der schoenste Strand seit ich in Chile bin.




Allerdings war alles verlassen und verschlossen. Schliesslich sah ich ein chilenisches Paerchen, die warenn auch gerade angekommen (mit Auto) und wollten trotzdem ein paar Naechte dort bleiben. Fuer mich war es klar, dass ich die Nacht auch da unten verbringe, das Problem, wie ich den Huegel wieder hoch komme, konnte ich noch am naechsten Tag loesen.


Ca um 3:30 am Morgen bin ich dann aufgewacht, die Erde bebte ganz schoen unter meinem Zelt, das vielleicht gerade mal 100m vom Meer entfernt stand. Ich ueberlegte mir kurz was ich im Falle eines Tsunamis machen koennte, mir fiel aber nichts effektives ein, also schlief ich weiter. Vielleicht haette ich ja den Berg hoch koennen, aber ich hatte eher das Gefuehl, der kommt runter. Also lieber im Zelt verharren. Ich schlief dann auch gleich wieder ein.


Am naechten Tag hatte ich das Erdbeben schon fast wieder vergessen gehabt. All meine Gedanken waren an dem Huegel und wie ich den wieder hoch komme. Einfach mal probieren, und siehe da, es ging. Zwar muehsam und langsam, aber ich kam vorwaerts. Fuer die 3 km habe ich dann 1 Std gebraucht, aber was solls, ich habe es alleine geschafft. Das machte mich fuer weitere Strecken, die mich hier in Suedamerika noch erwarten, zuversichtlicher.


Noch ein anderes Ereignis machte mich mit dem Land vertrauter. In einem kleinen Dorf, Mantos de Hornillos, machte ich halt, wollte eigentlich Brot und Kaese kaufen, wie es ueberall angeboten wurde. Vor einem Haus, setzte ich mich hin, wartete mal ab, wusste nicht, ob ich hinein soll, es sah eher wie ein Wohnzimmer aus. Die Besitzer liefen herum, nahmen aber kaum Notiz von mir, etwas worin sich die Chilenen von den Suedostasiaten total unterscheiden, dort wuerde schon lange das ganze Dorf kreischend um mich herum stehen.


Schliesslich trat ich doch noch naeher an das Haus, und sah, dass in der Ecke Sachen zum Kaufen aufgestellt waren. Also trat ich ein und meinte ich wolle gerne Kaese. Sofort bekam ich Brot, Kaese und Tee angeboten. Herrlich, schon wieder etwas gelernt.


Weiter gings ueber Berge,




immer der Ruta 5, der Panamericana entlang.



Am Abend konnte ich fuer den naechsten Schlafplatz wieder die Strasse verlassen und mich noch kurz auf einer dirt road austoben. Diesmal kam ich an einen Campingplatz, der auch noch offen war, mit Schwimmbad. Es dauerte nicht lange, dann war ich in dem kuehlen Nass. Das wuerde ich gerne jeden Abend haben. Hier ist es tagsueber recht warm. Erst Abends, nach Sonnenuntergang kuehlt es ab, aber dann recht schnell.
Spaeter wurde ich wieder an das Erdbeben erinnert. Im Fernsehen kamen die Nachrichten, natuerlich auf Spanisch, ein junger Herr versuchte mir das Noetigste zu uebersetzen, soviel ich verstand, war hier ein Erdbeben mit kaum Schaden, aber auf Hawaii haette es ein Tsunami gegeben. So war ich doch mal wieder froh, dass ich nicht in die USA bin.

Erst am naechsten Abend erfuhr ich dann die volle Wahrheit.

Diesmal bog ich schon frueher vom highway ab, wollte in das kleine Fischerdorf Tongoy.

Das hat mir dann so gefallen, dass ich, obwohl noch frueh am Tag, beschloss zu bleiben.

Wie anfangs erwaehnt, hatte ich seit ein paar Tagen Probleme mit meiner Kreditkarte, die Zeit wollte ich nutzen, um ein paar mails an Bank und Betrugsamt zu schicken.
Meine Mailbox war voll von Anfragen, ob ich noch lebte. Ich verstand zuerst nicht ganz, was die alle wollten, das bisschenn Erdbeben.
Auf dem Camping in Tongoy war eine Frau, die sehr gut Englisch sprach und mir alles erklaerte. Anscheinend hat der Chilenische Staat das wirkliche Ausmass des Erdbebens zuerst nicht publik gemacht, um ein panik szenario zu vermeiden. Erst am Tag darauf wurde dann die ganze Wahrheit im Fernsehen gebracht und das Volk war natuerlich schockiert, ich auch. Welch ein Glueck, dass ich nicht zuerst in den Sueden bin, wie ich es eigentlich urspruenglich wollte.


Von Tongoy war es nicht mehr weit bis zur groesseren Stadt La Serena. Dort wollte ich zuerst mal meine Vorraete aufstocken. Chile ist das erste Land, soweit ich mich erinnere, in dem ich Schwierigkeiten habe, meine Instantnudeln zu bekommen, dafuer gibt es Kartoffelbreipulver ueberall.
In der Stadt fuehlte ich mich allerdings nicht sehr wohl, wusste auch nicht, was ich hier sollte, obwohl sie sehr schoen war, viele alte Kirchen und Gebaeude. Nachdem ich nochmals im Internet war, bin ich wieder aus der Stadt auf den Camping am Strand, wo gerade auch zwei englische Fahrradfahrer angekommen waren. Welch Freude! Wenigstens einen Abend mal eine netter Unterhaltung, am naechsten Tag wollten sie in den Osten, nach Argentinien und ich in den Norden, in die Wueste.


Aber es kam mal wieder ganz anders als gedacht. Als ich, bevor ich die Stadt verliess noch Geld ziehen wollte, behielt der Automat meine Kreditkarte, mit der Bemerkung, auf Antrag meiner Bank.
Da der Automat gerade gefuellt worden war und die Sicherheitsmaenner noch nicht weit weg, holte ich schnell einen Herr, der mir den Automat aufgeschlossen hat und mir die Karte wieder gab. Dann das ganze Spielchen von vorne, wieder blieb meine Karte im Automat, ich ahnte Schlimmes. Eigentlich wollte ich erst meine Karte sperren lassen, wenn ich genau wusste, wann und wo ich eine neue bekomme.


Mit Weiterziehen war vorerst nicht zu denken, zuerst musste ich mal meine Bank anrufen. Zum Glueck hatte ich noch meine Master Card, die ist zwar ganz schoen gebuehrenpflichtig, aber ich kam wenigstens an Geld.


So verbrachte ich fast den ganzen Tag im Cafe del Theatro

wo es WiFi gab und leckeren Ananassaft, habe mit meiner Bank und dem Kreditkartenbetrugsamt und soweit alles geregelt, jetzt musste ich nur noch an eine Adresse kommen, an die mir eine neue Kreditkarte geschickt werden konnte.
Im Vergleich mit dem Erdbeben ist das aber alles kein Problem.


Ich habe mir dann noch die Stadt angeschaut, die mir an diesem Tage sehr viel besser gefallen hatte als tags zuvor,





und habe unter dem positiven Einfluss der Fotos und Gedichte von Gabriela Mistral versucht meinen Blog zu schreiben.