Montag, 7. Juli 2008

In Ulan Bator und um Ulan Bator herum

Die letzten 2 Wochen waren damit ausgefuellt, alles fuer das Chinesische Visum zusmmenzustellen: Flug raus aus China, Hotelbuchungsnachweiss und ein Kontoauszug als Beweiss, dass man auch alles in China bezahlen kann. All das, worauf man als Fahrradfahrin verzichten kann. Dazu noch eine Kontaktperson in China mit Adresse und Telefonnummer. Da gibt es keine Ausnahmen, Regel ist Regel, da muss man einfach durch, wenn man dieser Tage ein chinesisches Visum haben moechte. Nach einer Woche dachte ich, ich haette alles zusammen und habe mich nochmals 3 Stunden vor dem Konsulat angestellt, mit dem Ergebnis, ich wurde unverrichteter Dinge wieder weggeschickt: ich muss auch ein Ticket nach China vorlegen und ausserdem, wenn ich erst Anfang August einreisen will, kann ich es eh noch nicht im Juni beantragen.
Das hat mir vorerst gereicht, ich wollte eigentlich noch mehr von der Mongolei sehen, als das Konsulat. Ausserdem kenne ich mittlerweile alle Internet Centers von Ulan Bator, weiss, wo man am besten Ausdrucke machen kann, Kopien, etc… Wie oft bin ich schon ueber den Suekhbaatar Platz, an dem dicken Dschingis Khaan vorbei.



Zur Ablenkung bin ich zuerst mal in das „International Intellectual Museum“. Die Mongolen haben es mit Holzpuzzeln. Das Museum war voll von verschieden Figuren, die in viele kleine Teile zerlegt werden koennen. Die Intelligenz wird daran gemessen, wie schnell man die Figur wieder zusammen bekommt. Bei mir war nicht viel zu messen. Die Kinder hier machen es anscheinend schon von klein auf. Meine Fuehrerin in dem Musuem konnte es auch ruckzug, so schnell konnte ich gar nicht schauen. Sie hat ja auch darin Uebung.
Die Schildkroete als Symbol fuer Glueck, Wohlstand und langes Leben, war auch mehrfach vertreten, klein, goss und als Schmuckkaestchen.

Die erste Woche hat es nur geregnet, da war meine Lust wegzufahren noch nicht sonderlich gross. In der Mongolei gibt es auch keine richtigen Abwasserkanaele. Alles Wasser bleibt auf Strassen stehen. Eigentlich waere ein Boot angebrachter gewesen. In den ersten Tagen erinnerte mich die Fortbewegung der Fussgaenger an das Huepfspiel „Himmel und Hoelle“ Omama huepf einmal… am naechsten Tag war damit auch Schluss, kaum jemand kann soweit springen um all die Wassermassen zu ueberwinden. Vorsichtig versuchte man am Bordstein vorbei zu balancieren, bis ein Auto kam und einen von oben bis unten nassgespritzt hat. An diesen Tagen konnte ich wirklich auf das Fahrradfahren verzichten. Wenn man innen warten musste, war es auch nicht so tragisch, da war es ja warm und trocken.

Um die Zeit auch sonst mit etwas Sinnvollem zu fuellen, war ich auch noch bei einer Zahnaerztin. War aber nicht weiter tragisch vor allem nicht die Rechnung: ca 10 Euro die 2 Sitzungen und das Warten bin ich ja mittlerweile gewohnt.

Mitte der Woche wurde es aber wieder schoen und ich dachte, ich koennte am Freitag den Antrag abgeben, fuer eine Woche wegfahren und das Visum abholen. War nix. Trotzdem, ich musste raus, beschloss aber einen Tag frueher zu kommen, um noch ein Zugticket nach China zu besorgen.
Diese 5 Tage waren wirklich fantastisch, auch das Wetter passte.
Kaum aus der Stadt raus, in der Natur auf dem Fahrrad und mir ging es wieder viel besser. Die Kulisse war einfach fantastich


Trotz des nichtbestandenen Intelligenztests war ich klug genug, fuer die erste Etappe eine der wenigen geteerten Strassen hier zu waehlen. Die Spuren des starken Regens sind noch ueberall sichtbar, Feldwege kaum passierbar, alles nur Schlamm und Matsch.
Nach ungefaehr 30 km hat mich das Unwetter erwischt. Eigentlich ist es ein einmaliges Naturschauspiel, wie sich die dunklen Wollen mit Wasser vollsaugen, dann der Sturm los geht und zum Schluss das Gewitter mit Regen und Hagel nieder geht.



Ich konnte mich gerade noch samt Fahrrad in den letzten Laden fuer die naechsten Tage fluechten. Nach ca 30 Minuten war auch alles schon wieder vorbei.
Spaeter wurde ich bei Unwetter in Gers aufgenommen und wurde dann auch gleich reichlich mit Essen und Trinken versorgt.

Auf einmal sah ich eine grosse Figur von weitem in der wieder scheinenden Sonne blitzen. Ein paar Kilometer spaeter stand ich vor einer riesigen Dschingis Khaan Statue, 40m hoch. Es steht aud einen Sockel, in dem sich ein Restaurant und Museum befindet. Fuer das 800 jaehrige Jubilaeum letztes Jahr hat man solche Dinge gebaut. Als ich davor stand, war es wegen Renovierung geschlossen.



Weiter im Osten befinden sich ein paar Naturschutzreservate, Anziehungspunkt fuer Touristen, deswegen ist die Strasse auch in einem sehr guten Zustand. Ein weiteres Zeichen, das auf Touristen hindeuten, sind die Massen von Ger-Tourist-Camps, die die Strassen saeumen. Soweit ich weiss, sind die nur fuer Gruppen mit vorheriger Anmeldung offen. Trotzdem, ich fuehlte mich schon komisch an einer „normalen“ Ger nachzufragen, ob ich mein Zelt in ihrer Naehe aufschlagen darf. Aber auch hier wurde mir bei einer sehr netten Familie einlass gewaehrt.



Ich wuerde am liebsten nicht mehr weg hier, zumindest solange es noch warm ist. Diese Ruhe in den Bergen ist einfach gigantisch, wenn nicht gerade die Schafe muhen und die Schafe maehen. Es ist schon ein besonderes Lebensgefuehl hier inmitten aufzuwachen, bei Sonnenschein und so einen Ausblick zu haben.



Es gibt ganz selten Ortschilder oder Wegweise. Auf dieser Tour habe ich vielleicht 3 oder 4 Stueck gesehen. Und dann muss man sie auch lesen koennen. Hier ein Ortschild von Erdenet



Und eigentlich einer der einzigen Wegweiser.



Wenn ein Schild am Wege steht, muss da nicht unbedingt eindeutig ein Weg sein. Nach Arhust war es einfach, da ging es einfach ein Tal nach hinten. Man sucht sich halt immer das Stueck, das am Besten zu befahren ist. Wenn die alte Strasse nichts mehr taugt, faehrt man einfach daneben und macht so eine neue Strasse. Das fuehrt natuerlich dann auch noch dazu, dass der Wegweiser nicht mehr unbedingt an der aktuellen „Strasse“ steht.



Haelt man an einer Ger und fragt nach dem Weg, bekommt man immer nur die Himmelsrichtung angezeit. „Den Weg“ gibt es naehmlich nicht. Nirgendwo trifft das Sprichwort: „ein Weg entsteht, indem am ihn geht (oder faehrt)“ besser zu als hier. Jeder macht seinen eigenen Weg, links oder rechts um den Berg oder einfach daruebe. Eigentlich gar nicht dumm und fuer mich recht brauchbar, wenn mein GPS funktionieren wuerde. Es laesst sich aber mal wieder nur ab und zu anschalten. Wenn nicht zufaellig ein Motorradfahrer unterwegs war, der dann ganz erstaunt anhielt,



musste ich immer wieder eine Ger aufsuchen und fragen. Das bedeutete kilometerlange Umwege, denn hier standen die Gers in 10 bis 30 km Abstaenden. Da wird einem dann nicht nur Tor und Tuer geoffnet (Tor gibt es eh nicht und Tuer steht sowieso offen), sondern auch Kochtopf und Teekessel. Bevor ich auch nur die erste Frage vorbringen konnte, musste ich zuerst einmal den milchigen, mongolischen Tee trinken. Meistens gibt es dann noch irgend etwas aus dem Kochtopf, wenn nichts mehr drin ist, wird geschwind etwas zuberietet. Das Fleisch ist ja immer griffbereit.



Ich wurde schon gefragt, ob ich hier,wie in Russland, „kuschet, kuschet“ immer essen muss. In Russland war es nur abends, hier habe ich „Vollpension“.
Morgens durfte ich nicht los, bevor ich nicht gefruehstueckt hatte, wenn ich untertags nach dem Weg fragte, bekam ich wenigstens einen wunderbaren Jogourth und abends das Abendessen konnte ich auch nicht ablehnen. Am Schluss wollte ich eigentlich nicht mehr an einer Ger uebernachten, aber ich habe mich sicherer gefuehlt.

In den Gers lebt man noch (fast) nach alter Tradition. Auch hier gibt es mittlerweile Mobiltelefone und Dank Autobatterien und Solaranlagen (die ich allerdings nie funktionierten) auch elektrisches Licht. Die Fernseher, die ich sah, waren nie an, trotz riesieger Satellitenschuesseln. Hier waren sie noch alle dabei, die Schuessel richtig auszurichten.



Mit einer Engelsgeduld war das eine Beschaeftigung fuer den ganzen Abend. Erst als ich mich in mein Zelt verzog, wurde der Mann von seiner Frau reingeholt.

Sonst scheint alles noch beim Alten zu sein. Immer wenn man rein kommt ist links der Frauenbereich, meistens ein Schraenkchen mit Kochutensilien, Teller, Besteck etc..
Dann das Bett fuer Frauen, gegenueber dem Eingang eine Art Altar, ein Schraenkchen mit einem Buddhabild oder ein Foto vom Dalai Lamah. Auch die persoenlichen Fotos sind hier aufgestellt. Wenn vorhanden, steht hier auch Fernseher und Radio.
Dann kommt das Bett des Mannes und rechts vom Eingan sind die Utensilien, die von ihm gebraucht werden, Sattel, Zaumzeug etc.
In der Mitte steht der Gerherd zum Heizen und Kochen.



Brennmaterial ist Kuhdung, ganz praktisch, liegt ja quasi vor der Gertuer und wird immer wieder nachgeliefert. Nur muss man staendig nachschuetten, der Brennwert ist nicht gerade gross. Dafuer sind die Frauen zustaendig, meistens die aelteste Tochter. Als Erstes morgens wird in einem grossen Kochtopf der Milchtee gekocht. Dann kommt das Fruehstueck, eine Suppe oder Eintopf mit Fleisch. Von morgens bis abends, wenn die Kuehe zurueck getrieben und gemelkt wurden, sind die Frauen und Maedchen sehr beschaeftigt.



Solange es warm ist, ist es ja noch schoen. Bei minus 30 Grad sieht das sicher anders aus.

Auch hier wird weitgehenst Jeans und T-Shirt getragen. Dazu halten die Mongolen aber noch an einigen, traditionellen Kleidungsstuecke fest. Das sind zum einen der lange Mantel, Deel und natuerlich die Reiterstiefel. Beides recht praktischen Kleidungsstuecke fuer ihre Lebensweise. Vorne in den Deel wird alles gesteckt, was man fuer die Tour braucht, Essen, Schnupftabak, Klopapier. Wenn nicht es nicht an der Seite haengt, dann ist auch noch ein Fernglas drin. Kaum ein Mongole, der ohne unterwegs ist.



Dieses Paar hat sich fuer den Wahlgang fein gemacht und wollte natuerlich auch so fotografiert werden.

An meinem Zelt hatten die Nomaden natuerlich besonderes Interesse. Wenn sie mit Sack und Pack reisen, ist der ganze Clan mit beschaeftigt. Darum ist es fuer sie kaum vorstellbar, wie man alleine das alles bewaeltigen kann. Jeder wollte beim Aufbau helfen, was bei meinem Zelt sowieso in ein paar Minuten erledigt.
Warum sie auch an meinem Fahrrad interessiert sind, versteh ich nicht ganz.



Fuer sie ist ein Pferd viel praktischer. Aber natuerlich ist es etwas besonderes da draussen. Zumindest an der Bereifung sehen sie die Qualitaet des Rades.

Die Mongolen sehr jung, 25% sind und 30 Jahre, die Lebenserwartung liegt bei 65 Jahren NACHSCHAUEN!!! Einen Schlaganfall oder Herzinfakt ueberlebt man ausserhalb von Ulan Bator nicht, es dauert viel zu lange, bis ein Arzt da ist. Allerdings weiss ich nicht, wie weit die ueberhaupt damit gefaehrdet sind. Man sieht kaum alte Leute, aber wenn man ihnen begegnet, ist das ein besonderes Erlebnis. Sie sind aeusserst drahtig und beweglich. Von der juengeren Generation wird ihnen Respekt entgegengebracht, wie man es kaum mehr kennt.

So verbrachte ich 5 wunderschoene Tage in den Bergen um Ulan Bator.
Das erste, was ich hier berichtet bekam, wahren die Unruhen nach den Wahlen. Am Sonntag den 5. Juli waren hier Wahlen, die anscheinend gefaelscht wurden. Als das heraus kam, gingen das Parteigebaeude der regierenden Partei in Flammen auf. Das Feuer sprang auf ein paar umliegende Gebaeude und hat auch die Philharmonie erwischt, dort sind alle historischen Instrumente verbrannt. Ein unbeschreiblicher Verlust.
Das war das erste Mal, dass es hier solch Ausschreitungen gab. Es wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, die Innenstadt fuer die Autos gesperrt und es wurde verboten Alkohol zu verkaufen.
Ich bin am Mittwoch abend noch in die Stadt, musste ja noch das Zugticket fuer mein Visum kaufen. Fuer mich als Fahrradfahrerin war es fantastisch die Innenstadt ohne Autos. Auch konnte ich problemlos das Fahrrad stehen lassen, der naechste Polizist war ja nicht weit. Fuer die Bevoelkerung ist die Situation natuerlich dramatischer. Immer zwischen den bis zu den Zaehnen bewaffneten Polizisten und Soldaten durch und die Angst, was wird es als naechstes Geben.
Mittlerweile hat sich die Situation halbwegs normalisiert, die Innenstadt ist wieder voll von Autos und man kann wieder Alkohol kaufen.

Am Freitag hatte ich dann endlich, wenigstens mit der Abgabe des Visumantrags Erfolg. Es heisst noch nicht, dass ich es auch bekommen werde, aber wenigstens besteht jetzt die Chance. Wegen Nadaam, einem der wichtigsten Feiertage hier in der Mongolei, kann ich meinen Pass erst am Montag, den 14. Juli abholen.
Ich werde jetzt wieder fuer ein paar Tage die Stadt verlassen.
Nadaam ist ein grosses Sportfest, Reiten, Ringen, Bogenschiessen. Das groesste findet immer von 11 bis 13. Juli in Ulan Bator Stadt. Davor und danach sind in den anderen Staedten „Mini-Nadaams“. Hier in Ulan Bator ist mir zu viel Trubel. Ich werde wieder raus aufs Land fahren und dort zu einem Nadaam gehen.
Das naechste mal dann mehr darueber.