Samstag, 24. Mai 2008

Von sibirischen Waeldern und deren Inhalte

Hinter Novosibirsk aendert sich die Landschaft dramatisch. Es wird direkt aufregend. Endlich hat man mal wieder mehr als 50 Hoehenmeter auf 100 km und man benutzt die Lenkstange nicht mehr nur zum Festhalten, sondern man darf mal wieder richtig damit lenken, es gibt richtige Kurven.
Das ist die M53, mein "Zuhause" fuer die naechsten 1880km bis Irkutsk.

Auch die Tage im Caritas Haus in Novosibirsk haben mir wieder recht viel Stoff zum Nachdenken geliefert, dass mir beim Fahren ueberhaupt nicht langweilig wurde.
Am ersten Abend im Wald wurde ich von Millionen Schnacken empfangen. Bis ich mein "Anti-Brumm" drausen hatte, hatte ich schon mindestens 50 Stiche.

Am naechsten morgen wurde ich von Schuessen angetrieben, ein bisschen schneller zusammen zu packen, ich moechte nicht, dass noch ein Jaeger ueber mein Zelt stolpert. In dem Wald wuchsen auch die Pilze, die sie am Tag zuvor am Strassenrand verkauft haben und Pilzsammler sind ja auch schon frueh unterwegs, vor allem Samstags.

An einem der Kafes, an denen ich ab und zu anhalte um meinen Tee zu trinken, traf ich eine Gruppe von deutschen Motorradfahrer, 5 Stueck, Durchschnittsalter ca 58 Jahre. Mit Begleitfahrzeug fahren sie in die Mongolei. Dass ich das Gleiche als Frau alleine mit dem Fahrrad mache, ohne Netz und doppelten Boden, war fuer sie ganz schoen beeindruckend.

Und das auch noch, wo die Wegweiser mit Kilometerangaben wahrscheinlich von Analphabeten aufgestellt worden sind. Die Zahlen stimmen nie, entweder sie verdrehen die einzelnen Ziffern, mal heisst es 234, dann 342, oder vor dem Kreisel sind es 68 Km danach 84. Das hat mich auf meinem Weg nach Kemerovo schon geaergert, da ich dort verabredet war und wollte schon wissen, wie lange ich noch brauche.
Eigentlich dachte ich, ich haette die Stadt frueher als vermutet erreicht, aber da ich schon wieder eine Zeitzone ueberschritten hatte, war es doch etwa so spaet wie ich zuerst dachte. Mittlerweile sind es schon 6 Stunden Zeitunterschied zu Deutschland. ich muss schon ganz schoen weit geradelt sein. Wenn man bedenkt, dass die Erde in 24 Zeitzonen unterteilt ist, dann bin ich schon 1/4 rum. An km wird es sicherlich bei weitem mehr, wegen meinen Eskapaten in Suedostasien und Austrialen.

In Kemerovo wurde ich von Svetlana empfangen. Sie ist eigentlich Geschichtslehrerin und konnte mir viel ueber ihre Stadt erzaehlen. Die meisten fahren die Strecke Novosibirsk - Irkutsk ueber Tomsk, da dies bekannter ist, ich nicht. Ueber Kemerovo ist es etwas naeher. Jetzt bin ich auch froh darum. Kemerovo ist noch eine sehr junge Stadt, ungefaehr 80 Jahre alt, hat aber schon ueber 700 000 Einwohner. Der Grund: wie so oft in Russland, Kohle. Michailo Wolkow hat sie entdeckt. Ausser dem Denkmal fuer den Herren ist in der Stadt nichts von der Kohle zu spueren, sie wirkt sehr sauber.
Recht kaputt war ich nach dem Abendspaziergang. Es wird kaum mehr dunkel, darum weiss man eigentlich nicht, wie spaet es eigentlich schon ist.

Svetlana reisst selber recht viel, war auch in den Laendern, die ich auch noch beradeln will, China, Vietnam, Kambotscha, Laos. Da ihre Berichte so fantastisch waren, bin ich voll motiviert am naechsten Tag weitergezogen. Es werden ja noch so viele interessante Laender kommen, aber mein naechstes grosses Ziel ist Irkutsk und dann die Mongolei.

War die Strecke seit Novosibirsk huegelig, so war es jetzt sehr huegelig. Meine Gangschaltung ist soviel arbeit nicht mehr gewohnt, immer das rauf und runterschalten. Dafuer gibts eine extra Portion Oel.
Es ist zwar anstrengend, dafuer aber auch wunderschoen. Die Birken haben Gesellschaft bekommen, es stehen auch ein paar Nadelbaeume, Kiefern glaube ich, ind den Waeldern, dh. ein neuer Gruenton.
An den Strassen verkauften sie "Wilden Knoblauch", das entspricht unserem Baerlauch.



Sibirien sollte nicht nur fuer die Kaelte bekannt sein, sondern auch fuer die extreme Temperaturschwankungen. Waren es noch vor 2 Tagen 39 Grad auf meinem Fahrradcomputer, so waren es nun nicht mehr als 4/5 Grad. Ausserdem hat es geregnet. Ich weiss nicht, was fuer einen Boden die hier haben, aber er setzt sich wie Lehm zwischen Reifen, Schutzblech, Bremsen fest. Nach 10 m kommt man kaum mehr weiter. Da heisst es dann zuerst mal auf der Strasse: putzen, wenigestens die Bremsen wieder freilegen.

Da es weiter geregnet, bin ich wieder in eine der Motels gefluechtet. Dort verkauften sie die "getrocknete Fisch-Chips". Da ich Fisch und sonstige Meeresfruechte nicht mag, habe ich sie noch nicht probiert, fand es aber witzig, dass sie alle "Fleck" heissen.


Das meiste, was hier auf der Strasse unterwegs ist, sind die Autos fuer den Transit. In Vladivostok gehen sie auf die Faehre, fahren nach Japan, kaufen dort Autos (Lenkrad rechts) faehrt wieder mit der Faehre zurueck nach Vladivostok und bringt sie irgendwie in den Westen Russlands. Entweder wird das Auto selber gefahren, in Folie eingewickelt, wegen dem Dreck, den Fliegen und dem Fliegendreck, oder es wird gezogen, mit einem Schutzschild zwischen "Zug"Auto und Neuwagen, oder es faehrt Huckepack auf einem Laster.
Mit Mercedes, Volvo, BMW und Audi geht es in die andere Richtung und auf grossen Autotransportern, die, vor allem im leeren Zustand einen hoellischen Laerm verursachen, wenn sie ueber die Betonplatten duesen.

Fuer mich Sibirische Kaelte, fuer die Sibirer vielleicht wirklich schon fast Sommer, die 5-10 Grad, die die letzten Tage waren. Wenn man von 40-50Grad minus im Winter ausgeht, ist dies ja wirklich schon fast warm. Fuer mich jedenfalls nicht. Im Schlafsack ist es immer schoen warm, nur das Aufstehen kostet ganz schoen Ueberwindung. Zum Glueck kommen wieder mehr Kafes, wo man sich auftauen kann.
Was fuer den USAmerikaner sein BBQ und Steak ist, ist fuer den Russen sein Schaschlick. Kaum ein Kafe oder Stolovaya, wo nicht ein Grill mit den Spiessen herum steht. Habe allerdings noch kein probiert.

In der letzten Nacht vor Krasnojarsk, war es zwar kalt im Wald, aber es war auch wieder wunderschoen, es standen wieder viele von den blauen Schluesselblumen herum.

Nur hat sich auch ein blinder Passagier in meinem Gepaeck eingeschlichen.

Die letzte Strecke war recht nervtoetend. Wenn ich eine Stadt vor Augen habe, habe ich das Gefuehl, es zieht sich elendiglich in die Laenge, bis ich sie endlich erreiche. Das Wetter war auch nicht gerade zum Geniessen. Die Familie, bei der ich hier untergekommen bin, ist aber sehr nett. Am Abend sassen wir noch lange um den Tisch, bei Tee und Keksen und haben so ueber dies und das in Russland gesprochen, auch ob man in ein Dorf oder in Wald geht zum Uebernachten. Der Vater, eigentlich Mediziner, jetzt aber als Programmierer taetig, hat mich gefragt, ob ich keine Angst vor Zecken haette. Ich, nein, ich bin ja geimpft. Leider bringt es hier anscheinend recht wenig, denn so etwas wie Fruehsommermenengitis kennen die russischen Zecken nicht. Sie verursachen Enzephalitis oder Laim (?). Dagegen lassen sich die Russen auch nicht impfen, sondern es gibt eine Versicherung. Wenn man diese hat, bekommt das Serum mit Antikoerpern, die Immunglobuline, im Falle eines Falles (fast) umsonst.
Waehrend wir so sprachen, kratze ich mich am Hals und jeder schaut ploetzlich auf mich. Hat sich doch da tatsaechlich so ein Tierchen festgebissen. Ich muss nach dem Duschen ein T-shirt angezogen haben, wo es nur so darauf gewartet hat, mich anzufallen. Zum Glueck hatte ich einen Fachmann am Tisch, der mir dann auch gleich an Hals ging. Lebendig wurde es dann in ein Doeschen eingesperrt. Es gibt hier Institute, wo man das Tier untersuchen und feststellen kann, ob das Tier einen eventuell infisziert hat. Das war nun wirklich ein ausschlagebender Grund 2 Naechte hier zu bleiben. Nach dem stundenlangen Regen hatte ich eh keine Lust weiterzufahren.
So waren wir heute in dem Institut und haben meinen blinden Passagier abgeliefert.





Am Montag bekomme ich Bescheid, ob ich mich vielleicht doch lieber beim Arzt melden soll. Dann werde ich aber schon einige Kilometer weiter sein. Julia wird mir per SMS berichte.

Donnerstag, 15. Mai 2008

Plinis und Pilmenis

Der Start in Ekateringburg war noch richtig sibirisch, obwohl es noch gar nicht richtig zu Sibirien gehoert, sondern eher zum Ural. Es war kalt und gab Schneeregen. Nicht sehr erfreulich. Aber der Wind hat gestimmt. Zum Glueck waren es auch nur 3 Tagesetappen bis nach Tiomen.


Die letzte Etappe war ein richtig schoener Radlertag. Ich kam aeusserst gut voran. Ansonsten haette ich vielleicht die Kriese bekommen. Unendlich lange, ebene und gerade Strecken, durch endlose grosse Waelder und Felder. Zum Glueck ist es aber nicht endlos. Wenn man zuerst meint, die Baeume am Horizont sind vielleicht 3 km entfernt, sind es in Wirklichkeit 10km. Bei Gegenwind waere so etwas der Horror, bei solch guten Bedingungen und Strassen ist es direkt ein Verguegen. Schon um 15 Uhr war ich dann nach 124 km in Tiomen, noch genug Zeit fuer ein bisschen Sightseeing. Leider ist mir ein Motorradfahrer von "Totenkopf Tiomen" nicht mehr von der Seite gewichen, ich konnte machen was ich wollte: einen orthodoxen Gottesdienst beiwohnen, die Einbahnstrasse in die verkehrte Richtung fahren, irgendwann habe ich es dann doch geschafft.

Die Jugend uebte auch wahrscheinlich fuer den grossen Auftritt am 8. Mai



Da wurde es dann richtig schoen warm und ich konnte mal wieder eine Nacht in einer richtigen StudentenWG verbringen, fast wie vor 20Jahren. Richtig jung fuehlt man sich auf einmal wieder. Leider sprach kaum jemand deutsch oder englisch, aber Fahrrad fuhr jeder, der Gang und Balkon waren voll davon. Deswegen hat schon irgendwie eine Verstaendigung stattgefunden.

Im Laufe der Nacht haben sich immer mehr Leute eingefunden, bis 9 Leute irgendwie ein Plaetzchen in der 3 Zimmerwohnung fanden. Zum Glueck waren auch ein paar eifrige Medizinstudentinnen dabei, die auch morgens frueh aufgestanden sind.

Die Trasse nach Omsk war relativ leicht zu finden. Dann hiess es mal wieder fuer die naechsten 624 km nur priama, priama priame, immer gerade aus.

Da es waermer wurde, dachte ich ich koennte es mal wieder mit Zelten probieren, trotz Wassergraeben an der Seite.



In einem Dorf hat man mir auf meine Frage, wo ich hier mein Zelt aufstellen kann einen Platz in einer Garage fuer Traktoren angeboten. In dem Raum standen Tisch, Liege und ein Schrank. Unter dem Schrank war eine kleine Maus, die sehr lebhaft mit Plastiktellern gespielt hat. Eigentlich nicht sehr einladend, aber da ich Probleme mit dem Hals hatte, habe ich angenommen. Zuerst meinte der alte Mann, er geht nach Hause zum Schlafen.

Er war auch kurz daheim und hat mir einen ganzen Topf voll mit Pilmenis und Brot gebracht und Kaffee. Das mit dem "Daheim Schlafen", hat dann nicht so geklappt. Er hat alle seine Jacken geholt und versucht im Auto zu schlafen. Leider habe ich alles viel zu spaet mitbekommen, als es sich in dem Zimmer halbverfroren aufwaermen wollte. Wegen all dem hin und her und der Maus, habe ich auch nicht geschlafen. Um 6 Uhr bin ich aufgestanden und um 7Uhr sass ich wieder auf dem Fahrrad, wenigstens 15 km bis zum naechsten Cafe.

Trotz der Uebermuedung, aber wegen den guten Bedingungen bin ich am naechsten Tag doch recht weit gekommen, goennte mir dann mal wieder ein Hotel. Die Stadt Ischin war auch erstaunlich schoen und interessant, liegt genau zwischen Tiomen und Omsk. Sieht aus wie eine Museumsstadt. Es gibt noch recht viele alte Holzhaeuser, die noch recht gut erhalten sind.
Meinem Hals ging es nach dem Hotel auch nicht viel besser. Ich konnte kaum mehr reden, auch gut, dann merkt schon niemand, dass ich eigentlich kein Russisch kann.
Trotzdem, ab jetzt wurde mehr gezeltet. Und zwar ausserhalb Ortschaften, dort wo man niemand in solch Bedraengnis bringen kann.
Am naechsten Tag ging genau so weiter, wie der letzte aufgehoert hat - auf die Strasse und priama, priama, immer geradeaus. Da ist es direkt eine Abwechslung, wenn ein Vogel hochfliegt, ganz spannend wirds, wenn auf einmal ein Reiter auftaucht.


Vor Omsk hatte ich mal wieder recht Glueck, hatte gerade fast mein Pensum erfuellt, als ein VW Bus mit 3 Fischern hielt und mich fragte, ob sie mich mit nach Omsk nehmen koennen. Da sagte ich natuerlich nicht nein, einen ganzen Tag gespart. Und so interessant ist die Gegend auch nicht, dass man jeden kilometer gefahren sein muss.
Jetzt weiss ich auch, warum die Strasse gesaeumt ist mit halbvollen (oder halbleeren, ich mache da keinen Unterschied) Flaschen. Ich habe mir immer ueberlegt, warum so viele Leute Flaschen verlieren. Weit gefehlt. Hier wird das Bier entweder in 1 1/2 Liter Flaschen gekauft, oder abgefuellte, und wenn es schal schmeckt fliegt es einfach aus dem Fenster.

In Omsk hatte ich dann noch ein bisschen rumzufahren, bis ich endlich eine gute Bleibe fand. Aber es war herrlich. 8. Mai, Feiertag fuer die Russen, Sieg des 2. Weltkrieges. Ich habe sogar noch eine Autoparade mitbekommen. An der Flusspromenade tummelten sich Herscharen von Leuten.


Am naechsten Tag bin ich dann nochmals durchgefahren und fand den gleichen Arbeiter wie in Bratislava wieder. Er hat sich ganz schoen schnell da durchgebuddelt um mich hier in Omsk wieder anzulaechlen.


Auch hier wird Fahradfahren oder, Veloziped ganz gross geschrieben


Auch am 9. Mai gingen die Feierlichkeiten weiter. Wahrscheinlich war deswegen alles abgesperrt. Ausser mir war niemand auf der Uliza Lenina unterwegs. Ueberall wurden Faehnchen verkauft, Soldaten und alten Herren mit vielen Orden an der Brust waren auf der Strasse. An einem Denkmal toente aus dem Lautsprecher ein russisches Lied, wahrscheinlich so etwas wie "der Tod des unbekannten Soldaten", so hat es wenigstens geklungen. War kein gutes Gefuehl dort durchzufahren.

Hinter Omsk gehts entlang und ueber die Transibirische Eisenbahn.



Ehrlich gesagt, ich bin froh, dass ich mit dem Fahrrad fahren darf. Tagelang in so einem Zug sitzen, waere nichts fuer mich.

Da ansonsten wirklich nicht viel passiert, immer nur gerade aus fahren, gehen einem so ziemlich viele Dinge im Kopf herum. Nicht mit alles will ich naeher erlaeutern.
Aber was auch ganz interessant sind, sind die Russischen Schilder. Auf denen ist immer das abgebildet, was es eigentlich nicht gibt:




P: Bedeuted fuer die Lastwagenfahrer einen breiteren Seitenstreifen, wo sie ihr Fahrzeug abstellen koennen.
Tankstelle: Machmal sehr gut mit einem Laden ausgestatten, wo man Wasser oder Landkarten bekommen kann. Auch in der Notdurft sehr hilfreich.
Zelt: Hat nichts mit Zelt oder Campingplatz zu tun. Es ist fuer die Fernfahrer, wo sie in ihrem Auto uebernachten koennen.
Tisch mit Tanne: Meisten Muellhalde, ohne Tanne oder Tisch. Eine Hebebuehne, wo man Autos reparieren kann ist meistens dabei. Ganz praktisch, dann kann man Altoel und Altreifen gleich stehen lassen.
Messer und Gabel: Bedeutet fuer mich Borsch und Tee. Dafuer gibt es keine Messer und Gabel, nur Loeffel. Plinis ist man mit der Hand. Hoechsten fuer Pilmeni bekommt man eine Gabel. Ein Messer habe ich in den Lokalitaeten noch nie gesehen, wahrscheinlich zu gefaehrlich.
Schieblehre, oder was das ist: so was brauche ich fuer mein Fahrrad nicht.
DPS: Verkehrspolizei. Hat mich noch nie wegen zu langsamen fahren angehalten.
STOP: Fast auf der ganzen Welt sind Stopschilder rot und gross. Hier scheinen sie nicht so wichtig zu sein. Ampeln, wie man sieht, sind auch rot- gelb -gruen.

So sieht ein Camping Platz in Russland aus:


Ansonsten, passierte bis Novosibirsk nicht viel mehr. Morgens raus auf die Strasse, gerade aus fahren und am Abend wieder in die Waelder abtauchen.
Dazwischen kam vielleicht mal ein Dorf, das so aussah:

Das besonder Erlebnis des "Nichts-Erlebens". Eigentlich das, was Millionen von Menschen tagtaeglich passiert, nur hier hat man keine Ablenkung dur Fernseher, Internet oder Handy. Hier erlebt man das "Nichts erleben" voll bewusst, fasst wie Meditation. Wie die tibetanische Moenche ihre Gebetstrommeln drehen, so drehe ich meine Pedale.
Ab und zu wird die Meditation durch furchtbar schlechte Strassen unterbrochen. Der Belag ist dann wie eine Patchwork-Decke. Immer wieder wird geflickt, was der Frost nachher wieder aufreisst.

Das Wetter war wunderschoen das Birkengruen kam heraus und die Sumpfdotterblumen bluehten

und sonst lief es ganz gut, nur auf Dauer kann man so etwas nicht machen, mir fehlte der Kontakt zu Menschen.

Darum war ich ganz gluecklich als ich nach fast 3 Monaten und ueber 8000km in Novosibirsk ankam.


Hier treffen Welten aufeinander


Zwischen den Hochhaeusern hat es auch hier noch die alten Holzhaeusern, in denen sich aber Museen befinden.


Es war der letzte Schultag fuer Schulabgaenger, die ganze Stadt war voll von Maedchen mit schwarzen, kurzen Roecken und weissen Schuerzen und Schleifen, und Jungs mit Anzuegen, weissem Hemd und Schaerpe.




Vor meiner Reise bin ich immer wieder gefragt worden, warum ich nicht fuer einen bestimmten Zweck Geld sammle, wie es einige Radreisende tun. Das wollte ich aus folgenden Gruenden nicht:
  • Ich mache es, weil ich es will, ichwollte keinen sozialen Zweck als Vorwand finden.
  • Es gibt keine Organsation, wo ich 100% dahinter stehe, fuer die ich so etwas machen will.
Ich habe aber auch angekuendigt, dass ich, wenn ich etwas unterwegs kennenlerne, dies hier kund tue, dann kann man immer noch spenden.
In Novosibirsk hatte ich das Vergnuegen, 2 Naechte im Caritas Haus zu wohnen, eingeladen von Susanne, die fuer die Oeffentlichkeitsarbeit zustaendig ist, und die Einrichtung kennenzulernen. Diese Projekte und die Arbeit dort hat mich voll ueberzeugt.
Also, wenn Dir/Ihnen der Blog gefaellt und sie etwas fuer das Vergnuegen diesen Blog lesen zu duerfen zahlen wollen, dann ueberweisen Du/Sie doch bitte einen Betrag an
Armen-Schwestern v.hl.Franziskus
Pax-Bank eG Aachen
Spendenkonto 1008 248 091
BLZ 370 601 93

Stichwort "Novosibirsk"
Hier koennen sie mehr ueber die vielseite Arbeit erfahren:
http://www.caritas-international.de/33676.html
Besser als in Schwester Elisabeths Haenden kann Ihr Geld gar nich angelegt sein.


An den aufgeschlossenen, interessierten Kindern konnte ich ein Erfolgserlebnis ihrer Arbeit sehen. Leider musste ich auch hier wegen dem "Visa Druck" weiter.

Donnerstag, 1. Mai 2008

Do-Swidanje Europa

... und aus der Stille sprach eine Stimme zu mir: Laechle und sei froh, es koennte schlimmer kommen. Und ich laechelte und war froh und es kam schlimmer...
Nachdem ich wegen eisiger Kaelte einen zusaetzlichen Tag in Saratov verbracht hatte, wirklich einen sehr schoene Stadt, wo die "Wolga Deutschen" lebten, hat es am naechsten Tag geschneit. Als wir im Buero waren, wo ich das meiste Gepaeck und mein Fahrrad gelassen hatte und ich das Fahrrad holen wollte, hatte es einen Platten. Wharscheinlich habe ich am Tag vorher beim Reifenwechsel nicht aufgepasst. Nutzt alles nichts, von selber geht der Platten nicht weg, also flicken. Es war dann schon 11 Uhr, als ich mir ueberlegt habe, ob ich noch los fahren soll oder nochmals eine Nacht da bleiben. Und wieder mal habe ich mich fuer das Fahren entschieden. Im stroemenden Regen gings los, aber wegen der Freude wieder auf dem Fahrrad zu sitzen, war ich richtig gut gelaunt. Von Saratov geht es ueber die einst laengste Bruecke Europas (3,5 km) ueber die Wolga nach Engels. Das war recht unangenehm. Da kann der Wind ohne Hinderniss darueberbrausen. Danach wurde es besser und erstaunlich frueh erreichte ich Marcks. Ja, das stimmt wirklich, nach Engels kommt Marcks und Marcks ist auch noch kleiner als Engels. Dort bin ich trocken und warm in einem der Fernfahrermotels untergekommen. Irgendwie gehoere ich ja auch zu den Fernfahrern, obwohl ich ausser der Bedienung die einzige Frau bin.
Am naechsten Tag hat es aufgehoert zu regnen, dafuer war Hochnebel, der sich im Laufe des Tages senkte, man hat nicht mehr viel gesehen. Das war auch ganz gut so, denn ich naehrte mich Balakowo, einer Stadt mit viel chemischer Industrie und Kernkraftwerk. Dort, mitten in der Stadt, wurde ich von einem Radler angesprochen, dem es ein Vergnuegen war, mich in der Stadt herumzufuehren. Er hat sich auch im Hotel nach dem Preis erkundigt, der weit ueber meinem Budget lag. Ohne ein Wort mir zu sagen hat Sergej seine Eltern angerufen und mir dann verkuendet, ich bin bei denen eingeladen. Er ist ¼ deutsch, sein Vater ist ein Nachfahren der Deutschen, die von Katharina der Grossen nach Russland geholt wurden. Mir schien es so, als ob er nicht gern deutsch sprechen wuerde. Er war auch der erste und bisher einzige der meinte, fuer Russen waere Deutsch und Faschist immer noch das gleiche. Ich meinte nur, dass ich noch nicht Nachteiliges erfahren haette, im Gegenteil. Trotzdem alle waren sehr nett und die Mutter haette sich gerne mehr mit mir unterhalten, aber sie sprach weder Deutsch noch Englisch und mein Russisch laesst noch schwer zu wuenschen uebrig.


Nach einem pfannenkuchenreichen Fruehstueck liess sich Sergej es sich nicht nehmen, mich noch ein Stueck zu begleiten. Ich habe glaube ich in ihm wachgeruettelt. Er hat bisher auch ein paar Radtouren unternommen, aber nur kurze. Was ich eigentlich auch vermitteln will, ist dass ich mit dieser Reise keinen Traum erfuelle, ich lebe nur mein Leben. Viele erkennen zu spaet, wenn ueberhaupt, dass der Traum vielleicht das Leben gewesen waere und leben am Leben vorbei. Das wichtigste im Leben ist es zu Leben.

Ueber kleine Strassen ging es bis in eine Kleinstadt, wo ich wieder ein Motel fand. Ein Junge kam auf mich zugeradelt und hat auf deutsch mich gefragt, ob ich aus Deutschland kommen wuerde. Zuerst war ich nicht sehr erstaunt, da mir gesagt wurden, dass hier noch ein paar Deutsche leben. Als ich aber seine verkrueppelten Haende sah, dachte ich an Tschernobyl oder Condergan. Die wahre Geschichte erfuhr ich, als ich fuer ihn ein paar deutsche Briefe schrieb. Im Alter von 6 Jahren lebte er noch mit seiner Familie in Usbekistan. Ausversehen langte er dort an einen Transformator und hat somit seine beide Haende zerstoert. 3 Jahre lebte er in Duisburg in einem Friedensdorf, wo Aerzte versuchten zu retten was noch zu retten ist. Er lebt jetzt seit ein paar Jahren mit seiner Familie in Russland und musste so lange warten, bis er endlich jemanden fand, der fuer ihn deutsche Briefe schreibt.


Weiter gings nach Samara, wo ich meine Vorraete and Lebensmittel, Geld und Ersatzteile auffrischen konnte. Die Stadt hat nicht ganz den Flair wie Saratov. Dafuer hat es direkt in der Stadt an der Wolga einen Strand, wo sich sogar ein paar sonnenhungrige in den paar Sonnenstrahlen sonnten.


Sie taten gut daran diese auszunutzen, denn am naechsten Tag wurde es wieder recht kalt. Es geht langsam dem Ural zu, es wird bergiger und neben der Strasse liegen Schneefelder. Am ersten Tag ging es noch mit dem Wind, der zweite Tag war dann nicht mehr spassig. 4-5 Grad und ein eisiger Ostwind. Nach ueber 80 km wollte ich aufgeben und habe in einer Tankstelle nach dem naechsten Hotel gefragt. Ein netter junger Herr meinte, wo ich denn hin wollte und er koenne mich mit nach Ufa nehmen. Das war natuerlich ein Angebot! Da ich sowieso nicht alles in Russland abradeln kann, nahm ich dankend an. Es war dann schon recht spaet, als wir in Ufa ankamen, es waren immerhin noch 250km. Ein brauchbares Hotel war nicht zu finden, da hat der junge Herr mich bei seiner Mutter untergebracht. Mit der Zeitumstellung war es ungefaehr 2 Uhr morgens, als wir dort ankamen. Trotzdem hat sie uns noch Tee gemacht und natuerlich etwas zum Essen hingestellt.

Die Nacht war recht kurz, da Irwan am naechsten Tag wieder arbeiten musste und ich dann auch weiter. Zum Glueck hatte ich schon eine Verabredung in Ufa, d.h. ich musste nur 25 km in die Stadtmitte wo ich von Alina aufgelesen wurde. Den Rest des Tages habe ich dann nur noch ausgeruht. Am Abend hat mir Sascha noch die Stadt gezeit. Es ist die Hauptstadt von Bashkortastan. Langsam sehen die Leute wirklich anders aus. Die Bashkir Leute haben einen Ansatz von asiatischen Augen und Kleider und Braeuche erinnern an die der Mongolen.

Nach Ufa faengt dann wirklich der Ural an. Es wird wesentlich bergiger mit viel Wald.

Wo kein Schnee mehr ist, steht er im fluessigen Zustand immer noch rum. Fuer mich kein Platz zum Zelten, ich steh nicht so auf Wasserbetten. Allerdings werden auch die Abschnitte zwischen den Motels, von Ortschaften kann man hier wirklich nicht mehr reden, groesser. Zum Glueck brauch ich mir jetzt keine Gedanken mehr wegen der Dunkelheit zu machen. Es ist laenger hell, als ich fahren moechte. Um 21.30 ist koennte man immer noch ohne Licht durchkommen.
An dem orthodoxen Pascha Fest habe ich nach ueber 6000 km die ersten Reiseradler getroffen. Ein Paearchen aus Polen. Ich war so erstaunt, dass ich ueberhaupt nicht wusste, was ich eigentlich mit ihnen redden soll. Da faehrt man 10 Wochen so alleine vor sich hin und auf einmal sind noch andere da. Sie wollen auch durch ganz Sibirien fahren. Da sie schneller aussahen, habe ich sie vorbeigelassen. Ich habe sie dann wieder ueberholt, als sie Pause gemacht haben und habe sie seither nicht mehr gesehen.

Ein Busfahrer aus Kasachstan hat angehalten und wollte mich mitnehmen. Er hat es sicherlich gut gemeint, denn da ging gerade ein Schneesturm durch. Diesmal habe ich abgelehnt. Ich wollte einer der interessantesten Strecke in Russland durchfahren. Das Wetter war sowieso recht wechselhaft. Bald darauf schien wieder die Sonne und es war wunderschoen. Das haette ich mir nie verziehen, wenn ich da im Auto gesessen waere.


An dem naechsten Hotel hielt ich an und wollte mal wieder die guenstigste Uebernachtung. Ich wurde zu einem laenglichen Gebaeude gefuehrt. Als ich drin war sah ich, es ist nur ein verkleideter Schlafwagen eines alten Zuges. Sehr originell.


Am naechsten Tag war dann die Uralueberquerung praktisch vorbei. Mit dem Wetter hatte ich eigentlich sehr Glueck, ausser dem ersten Tag war immer strahlend blauer Himmel, aber eisig kalt. Den Wind merkt man in den Bergen nicht so sehr.
Kurz vor Miass habe ich die Europaeisch – Asiatische Grenze ueberfahren. Das war schon ein gutes Gefuehl, wieder etwas erreicht zu haben.

In Miass habe ich beschlossen, ich fahre nicht mehr weiter nach Cherlabinsk, sondern gleich nach Norden auf kleinen Strassen Richtung Ekateringburg. Der Anfang war noch wunderschoen. Erstaunlich viele Datscha-Siedlungen in Nadelwaeldern.
Dann auf einmal zeigte sich der Ural von der anderen Seite. Ich weiss nicht was in Karabasch abgebaut wird (jetzt weiss ich es, es ist Kupfer), aber auf eine Strecke von 10 km war alles tod. Kein Baum, in den Baechen nur rostrotes Wasser, die Erde ockergelb mit tuerkisem Ueberzug. Und wieder mal dachte ich, es ist nicht ueberall gesund Rad zu fahren. Ich wollte nicht mal stehen bleiben um zu fotografieren. Ausserdem dachte ich, dann werde ich sicher festgenommen, das gehoert nicht an die Oeffentlichkeit. Obwohl, die hohen Schornsteine sieht man auch von weitem ueber dem Berg.
Nach Karabasch ist alles wieder, als ob nichts gewesen waere. Schoene Waelder und Erholungslager an wunderschoene Seen. So richtig geniessen konnte ich den Anblick aber nicht mehr.
Am Wegesrand konnte man solch Zweige kaufen, wie am sie in der Sauna benutzt und Besen. Hergestellt von den Aermsten der Armen, die in einfachen Huetten gleich dahinter wohnen.

Da ich aus Ekaterinburg, die Nachricht erhalten habe, dass ich schon am 30. April kommen kann, bin ich gerade durchgefahren. Ich wusste, ich wuerde es schaffen, hoffte aber, dass vielleicht doch noch jemand auf die Idee kommen koennte, mich mitzunehmen. Die letzten 100 km sind nur noch auf einer 2 spurigen Autobahn mit viel Verkehr, also nichts, was man unbedingt gefahren sein muss.
Ungefaehr 30km vor Ekaterinburg hat mich eine Yogalehrerin aufgelesen. Sie sah mich und fand es ganz interessant, was ich mache. Sie faehrt auch Rad, aber nicht so lange Strecken. Wahrscheinlich waere ich mit dem Fahrrad schneller gewesen, denn wir standen nur im Stau, aber ich war froh im Warmen zu sitzen bei netter Unterhaltung.

Heute war dann mal wieder so richtig ein Relaxtag. Da 1.Mai ist, mussten meine Gastgeber auch nicht arbeiten und konnten mich mit dem Auto an den ganzen Zarengedenkstaedten hinfahren. Zuerst waren wir in Ganina Yama, ein Ort im Wald, wo die Leichen gefunden worden sind. Heute befindet sich dort neben der Gedenkstaette ein orthodoxes Kloster des Heiligen Martyrers. Sehr interessant, alle Gebaeude werden nach der alten Methode nur aus Holz, ohne Naegel gebaut.

Dann waren wir noch in der touristisch attraktiveren Version der Europaeisch-Assiatischen Grenze, natuerlich mit Souveniershop. Weil es Glueck bringen soll, treffen sich hier junge Ehepaare und bringen ihre Baender an. Wollen wir hoffen, dass es klappt.

An der Stelle, wo die Zarenfamilie ermordet wurde, steht heute die Kirche des Blutes. Sie soll die teuersten Ikonen Russlands beherbergen. Meiner Meinung nach kann das schon sein. Es strahlt alles nur so von all dem Gold. (Fotografieren natuerlich verboten, darum keine Bilder)

Dazwischen haben wir kurz an einem riesigen Shoppingcenter halt gemacht. So etwas kenne ich eigentlich nur aus USA und haette es hier nie vermutet. Aber die Russen scheinen das “Schoppen” wirklich zu lieben.