Montag, 10. März 2008

Im Land des zahnlosen Laechelns

und schon wieder eine Woche vorbei. Inzwischen bin ich ueber 2000km geradelt.
Was passierte inzwischen? Die Gegend von Bulgarien ist noch sehr laendlich. Es gibt mir mehr Perde- oder Eselkutschen als Auto. Wenn dann mal ein Auto kommt, ist es meisst ein uralter Golf. Mein 14 Jahre alter Polo wuerde hier direkt als Neuwagen durchgehen.
Am naechsten Tag ging es mit der Faehre bei Orjahovo auf die Rumaenische Seite. Die erste Faehre habe ich knapp verpasst, so musste ich 1 1/2 Std auf die naechste warten. Was mich vor ein paar Wochen sehr genervt haette, war mir jetzt recht egal. Zeit spielt nicht mehr so eine grosse Rolle. Ich habe es genossen, einfach hinzusitzen, beobachten und ein paar Fotos zu machen


Auf einmal ist alles wieder "einschriftig", nachdem "zweischriftigen" Serbien und Bulgarien. Alles steht nur noch in lateinischer Schrift, nicht mehr auf kyrillisch. Was noch lange nicht heisst, dass man es auch versteht.

Der armselige Eindruck von Bulgarien wurde von der rumaenischen Seite noch uebertroffen. Hier gibt es keine Golfs mehr, hier sind es Dacias, wenn es ueberhaupt einen Motor hat. Diese Seite ist viel flacher als die suedlich der Donau. Auch noch mit der Unterstuetzung von Rueckenwind und Sonnenschein hatte ich einen fantastischen Tag. Die Landschaft ist aber wunderschoen kleine Fluesse und Seen und die Leute ausgesprochen freundlich. Es gibt es tatsaechlich "das Land des zahnlosen Laechelns"


Mitten in einem Dorf habe ich per Zeichensprache nach einer Uebernachtungsmoeglichkeit gefragt, worauf ich zum Lebensmittelladen gefuehrt wurde. Dort bekam ich ein ganzes Stockwerk fuer mich. Einfach so. Spaeter zeigte mir der Besitzer Fotos. Anscheinend sind schon letztes Jahr hier Fahrradfahrer gestrandet. Aber die waren zu fuenft. Dass ich alleine bin und das noch als Frau erregt immer wieder grosses Erstaunen.

So schnell kann das Wetter aendern. Am naechsten morgen war starker Ostwind, d.h. starker Gegenwind un 20 Grad kaelter. Recht unangenehm. Halt einer der Tage, an denen man nur denkt, Augen zu und durch. Ich bin dann sogar bis Ruse, einer groesseren Stadt wieder auf der bulgarischen Seite gefahren. das war wie ein Kulturschock. Hier sieht man den Einfluss von EU auf das Land. Leute koennen sich hier sogar grosse Mercedese leisten.

Das hat sich auch am folgenden an den Strassen bemerkbar gemacht. Die waren einfach groesser, breiter und mit besserem Belag. Leider fuehrte sie an jedem Ort vorbei. So war die ganze Fahrt nicht gerade aufregend. Irgendwann fing dann der Spass mit dem bergauf- bergab - bergauf - bergab an, der mich noch ein paar Tage begleiten sollte. In einem kleinem Dorf, ich bin von der Strasse abgebogen, wurde ich von einem allten Maennlein mit nach Hause genommen, wo mich auch die Baba herzlichst empfangen hat.


Leider verstehe ich wirklich kein bulgarisch, auch wenn man noch so laut spricht.

Trotz oder wegen der Huegel ist die Landschaft wieder interessanter. In dem Dorf Srebarna in dem ich uebernachtet hatte, gibt es eine Vogelzucht. Davon ist im Winter natuerlich nicht viel zu sehen.

Und wieder mal ging es ueber die Grenze. Jetzt ist auch suedlich der Donau Rumaenien. Das merkt auch sogleich der Hintern an dem typischen Kopfsteinpflaster. Aber die armen Schweine, die die Strassen pflastern mussten, waren sicher schlimmer dran als ich, die nur mal drueber fahren muss. Das fiese daran ist auch, man weiss nie wie lange es geht. Es kann sich ueber 10 km hinziehen oder auch nach 200m wieder vorbei sein. Aber eines ist sicher: immer wenn es den Berg runter geht und man es so richtig schoen laufen lassen koennte, faengt es wieder an. Da kommt richtig Freude auf. Die Schafe, die ansonsten die Strasse benutzen, da Autos so gut wie nicht mehr unterwegs sind, stoert dies wenig.


Als der Tag sich neigte und ich von dem bergauf-bergab recht fertig war, habe ich mal wieder Mitten im Dorf nach einer Uebernachtungsmoeglichkeit gefragt. Gleich lief ein junger Mann los und hat im ganzen Dorf gefragt. Schliesslich hiess er mich zu warten. Mir war kalt und war muede, aber aus Erfahrung wusste ich ja, dass es schon in Ordnung ist. Nach 15 Minuten kam die junge Lehrerin des Dorfes mit ihren beiden kleinen Toechtern. Einer der einzigen im Dorf die englisch Sprechen. Sie hat mich zu sich genommen. Sie wohnt mit ihrer Schwester und Mutter zusammen. Ihr Mann ist in Italien zum Arbeiten. Eigentlich ist Rumaenien ein sehr sicheres Land fuer Frauen, da die Haelfte der Maenner ausgewandert ist.
Ihre Mutter hat prima fuer mich gekocht und mit ihrer Schwester haben wir uns lange ueber die Situation in Rumaenien unterhalten. Auf dem Lande ist es natuerlich besonders schlimm. Wie hoch die Arbeitslosenquote ist, konnte mir niemand genau sagen. Aber sie waren davon ueberzeugt, dass es mindestens 25% sein muessten. Wenn man bleibt, kommt man nie aus dem Elend raus.

Eigentlich ist sieht es hier ja recht eben aus. Aber um das Gegenteil vorzutaeuschen haben die Strassenbauer es fertig gebracht, jede Strasse ueber einen Huegel zu legen. So kann man 1000 Hoehenmeter auf nicht mal 100 km zuruecklegen ohne auch nur einen Berg erklommen zu haben.

Da Samstag war bin ich bis Hersova, der einzige Ort weit und breit, der eine Uebernachtungsmoeglichkeit hat. Dort angekommen bin ich gleich in die Fittichen eine Schar Jungen mit ihren Fahrraeder genommen worden. Ich musste nur sagen "Hotel" und schon gings los durch die ganze Stadt. Natuerlich haben sie dann auch gefragt, ob noch was frei ist, und da dies nicht der Fall war, haben sie mich zur naechsten Option geleitet.



Inzwischen hat die ganze Stadt gewusst, dass ich unterwegs bin. Jedem haben sie laut zugerufen, dass ich eine Fahrradfahrerin aus Deuschland bin.

Spaeter sind sie mit mir noch einkaufen gegangen, habe mich beraten, mein Obst abgewogen, nur bezahlt habe ich natuerlich selber.

Am naechsten Tag wollte ich eine laengere Strecke bis Braila zuruecklegen. Das Wetter war mal wieder genial und da nicht jeder Huegel befahren werden musste, wurde es direkt zum Genuss. Nur geteerte Strassen gehoeren langsam der Vergangenheit an. Jedes Schlagloch wird einfach mit Kies gefuellt, bis alles nur noch Kies ist. Die Schafe, die sonst hier unterwegs sind, meckern nicht darueber.




Heute ging es endlich mal richtig den Berg hoch. Wie im Norden der Suedinsel von Neuseeland sieht es hier aus. Danach war es dann relativ eben, mit vielen Fluessen und Seen, dass ich gut bis Braila kam. Zum ersten Mal hatte ich auch Begegnungen mit Fliegen. Auch ein Vorteil, wenn man im Winter faehrt, ich moechte nicht wissen, wieviele von dieser Art hier im Sommer unterwegs sind.


In Braila traf ich Manuela, eine Physiklehrerin am Gymnasium. Wir hatten schon vorher Kontakt und sie bat mich schon 2 Tage einzuplanen, da sie mich ihren Schuelern vorstellen wollte. Das hiess, um 6:30 aufstehen, um 7Uhr loslaufen und um 8Uhr vor der Klasse stehen. Soll noch einer behaupten, ich sei hier im Urlaub! So kam ich nach 25 Jahren endlich mal wieder in den Genuss eines Physikunterrichts inverschieden Klassenstufen. Davon wurde aber immer mindestens 20 Min. fuer mich benutzt. Ich habe ueber meinen Werdegang und Vorhaben erzaehlt.

Sie hatten sich natuerlich dafuer interessiert, wie es ist als Programmierer oder in der Informatiker zu arbeiten. Ueber Deutschland war ausser Berlin und Fussball nur das Oktoberfest interessant. Fragen an mich waren hauptsaechlich: ob ich keine Angst habe, ob ich Familie habe, was die dazu sagen... und einmal was ich von Dracula weiss. Leider nicht viel. Ich weiss nur, dass Transilvanien tatsaechlich existiert und es ein Teil von Rumaenien ist.


Von den Schuelern war ich absolut begeistert. Mit Deutsch hatten sie Ihre Hemmungen aber ihr Englisch war sehr gut. Von ihrem Verhalten kann ein deutscher Lehrer nur Traeumen. Es herrscht noch Ruhe und Disziplin. Alle sitzen an ihren Plaetzen und wenn die Lehrerin hereinkommt steht jeder auf. Ich musste mir ein Lachen vergneifen, so etwas gab es ja nicht einmal mehr zu meiner Schulzeit. Im Gespraech mit anderen Lehrern habe ich erfahren, dass sich das auch langsam aendert. Unter dem Kommunismus war alles viel strenger und jeder stand viel mehr unter Druck. Der Einfluss des Westens macht sich auch hier immer mehr bemerkbar. Tja, auch davor macht die Globalisierung nicht halt.